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Verstärkung: Altenpflegekräfte auf der Intensivstation

Autor:
Intensivpflege

Ich habe bereits viele Artikel über „die Pflege“ geschrieben. Pflege ist aber nicht gleich Pflege. Über die Jahre haben sich unterschiedliche Schwerpunkte entwickelt, die wiederum mit unterschiedlichen Spezialisierungen einhergehen können. Als ausgebildeter Fachgesundheits- und Krankenpfleger für Anästhesie und Intensivpflege vertrete ich eine dieser Spezialisierungen. Der Grund für diese Vielfalt: die unterschiedlichen Anforderungen in den jeweiligen Fachbereichen der Medizin.

Diese Unterschiede sind wohl für jeden ersichtlich. Schließlich ist ein Kind kein kleiner Erwachsener. Augenheilkunde ist keine Intensivmedizin. Wenn ein Blinddarm entfernt werden muss, wäre man mit einem internistischen Facharzt oder einen Dermatologen sicherlich eher schlecht beraten. Genauso verhält es sich in der Pflege. In Deutschland haben wir zum Beispiel derzeit noch unterschiedliche Grundausbildungen für Altenpflege, Krankenpflege oder Kinderkrankenpflege. Diese Ausbildungsgänge werden ergänzt durch verschiedene Zusatzqualifikationen, die zum Teil in mehrjährigen Fortbildungen erworben werden können.

Über lange Jahre war dieses System gut und praktikabel. Inzwischen aber sind wir ständig auf der Suche nach Fachkräften mit bestimmten Qualifikationen – und die Suche gestaltet sich zunehmend schwierig. Auf der Ausbildungsseite wurde bereits reagiert. So sollen Gesundheits- und Krankenpflege, Kinderkrankenpflege und Altenpflege sich bald eine gemeinsame, generalisierte Ausbildung teilen. Erst im Verlauf der Ausbildung wählen die Nachwuchskräfte ihren Fachbereich.

Neue Kollegen aus anderen Fachbereichen

Und auch wir als Klinik haben die Weichen gestellt: Im vergangenen Jahr fragten wir uns, ob nicht auch der Einsatz von ausgebildeten Altenpflegekräften im Intensivbereich möglich wäre. Oberflächlich betrachtet war die Antwort logisch und plausibel. Altenpflegekräfte gehören zur professionellen Pflege. Sie haben eine dreijährige Ausbildung, ein staatliches Examen und eine hohe fachliche Pflegekompetenz. Im Detail zeigten sich dann aber auch schnell die Unterschiede und Herausforderungen.

Viele der Mitarbeiter, die wir gewinnen konnten, arbeiteten zuvor außerhalb der Klinik im ambulanten Bereich. Andere kamen aus Pflegeeinrichtungen. Viele hatten bisher nur wenig oder keinen Kontakt mit der Arbeit im Krankenhaus. Es musste zu Anlaufschwierigkeiten kommen. Deshalb entwickelten wir ein Curriculum, das die Schwerpunkte unserer Arbeit zusammenfasst und die Eigenarten des „Arbeitsplatzes Krankenhaus“ vermittelt. Gleichzeitig erkannten wir, welches Fachwissen in der Ausbildung nur oberflächlich behandelt wurde und entsprechend in der Praxis wiederkehrend fehlte. Das waren beispielsweise die Themen Anatomie, Krankheitslehre und Pharmakologie.

Wir setzten den Fokus weiter auf eine möglichst exzellente praktische Einarbeitung inklusive entsprechender Praxisbegleitungen und Anleitungen am Patienten. Wir strukturierten die Vor-, Zwischen- und Endgespräche neu. Nicht nur für die Neuankömmlinge, sondern für alle im Team war es eine große Anstrengung, Altenpflegekräfte fit für die Intensivpflege zu machen. Es zeigte sich aber, dass sich diese Anstrengung lohnte und wir tolle neue Kollegen gewonnen hatten.

Auch das Team profitiert

Die Kollegen brachten auch unglaublich viele Dinge mit, die uns in unserem Alltag nicht so bewusst waren. So bekamen wir zum Beispiel neue Impulse für den Umgang mit speziellen altersbedingten Einschränkungen wie Demenz-Erkrankungen. Wir sind noch am Anfang einer langen Reise: Aktuell starten wir den ersten strukturierten Unterrichtsblock für die neuen Kollegen. Schon jetzt lässt sich aber sagen, dass das von uns entwickelte Konzept ein voller Erfolg ist. Nun arbeiten wir am Feinschliff.

Auch in anderen Bereichen unserer Klinik herrscht Bewegung. Ein Beispiel ist der Bereich der Neonatologie, also der Neugeborenen-Medizin. Auch hier haben die Kollegen einen entsprechenden Kurs entwickelt, der Pflegekräften die Besonderheiten der neonatologischen Pflege vermittelt.Und auch hier zeigte sich schnell großes Interesse – in diesem Fall bei Gesundheits- und Krankenpflegekräften, die in diesem Arbeitsbereich tätig werden wollen.

Neues Einarbeitungskonzept bewährt sich

In Barmbek sind wir der festen Überzeugung, einen guten Weg eingeschlagen zu haben. Für uns ist die Einarbeitung das A und O. Wenn sich die unterschiedlichen Ausbildungsberufe in einer generalisierten Ausbildung vereinen, werden wir viele fachspezifische Inhalte im späteren Verlauf vermitteln müssen. Auch dann wird sich unsere jetzige Arbeit auszahlen.

Ich bin froh und dankbar, dass wir uns damals auf den Weg gemacht haben. Wir haben inzwischen viele Altenpflegekräfte für unsere Intensivstation gewinnen können. Die Skepsis war anfangs groß. Von unserer Seite konnten alle Bedenken aber vollständig abgebaut werden und wir haben tolle Kollegen für diesen verantwortungsvollen Arbeitsbereich gewinnen können.

Wenn ich über den Erfolg unseres Konzepts spreche, kommt mir sofort ein Mitarbeiter in den Sinn, dem der Wechsel in den Klinik-Alltag schwerfiel. Andererseits war er sehr motiviert und brachte viele Stärken mit. Mehrfach saßen meine Stationsleitung, der Praxisanleiter der Station, unser Kollege für die Kompetenzentwicklung und ich zusammen und haben über die Einarbeitung gesprochen. Wir vereinbarten zusätzliche Praxisbegleitungen und führten viele Gespräche mit dem Mitarbeiter. Wir prüften, was der Kollege braucht, um die Anforderung erfolgreich bestehen zu können. Und siehe da, der Knoten platzte. Der Kollege hat sich in den vergangenen Monaten zu einem Mitarbeiter entwickelt, den wir im Team nicht mehr missen möchten. Er ist angekommen. Genau für diese Menschen haben wir das Konzept erstellt.

Foto: Fotolia/sudok1

Marc Alexander Noll

(Jahrgang 1981) ist Stationsleiter der Internistischen Intensivstation der Asklepios Klinik Barmbek. Er ist verheiratet und hat einen Sohn. Marc hat ein Faible für unnötiges technisches Spielzeug, wie er selbst sagt. Bei Computern und Handys ziehen ihn die neuesten Modelle magisch an. Sport steht täglich auf Marcs Programm. Er geht Joggen, am liebsten im Jenfelder Moor, oft aber auch einfach vor der Haustür. Neuerdings macht er Karate – als Ausgleich und zum Abreagieren. Auch seinen Sohn konnte er für die asiatische Kampfkunst begeistern. Wunderbar abschalten kann Marc auch mit der Gitarre in der Hand. Er spielt in einer Band, mit der er regelmäßig auftritt.


    Kommentare

    3
    • Manuela

      Was für ein hoffnungsvoller Bericht!!! Ich bin Altenpflegerin. Mache grade einen Expertenkurs für außerklinische Intensivpflege mit. Ich spiele auch grade mit dem Gedanken Richtung Intensivstation. Ich habe nur Angst vor der Ablehnung von KH Seite aus. Gerne würde ich mich vorbereiten, Thema Pharmakologie, haben Sie da ein Hilfsmittel welches mir von nutzen sein könnte?

    • Marc Noll

      Hallo Manuela,
      du must keine Angst haben! Am Anfang steht immer der Dialog. Wichtig ist, dass Du lernwillig, neugierig und motiviert bist. Ich würde Dir ja die entsprechenden „Klinikleitfäden“ empfehlen – aber auch diese sind ohne Kontext nur viele Seiten Text. Ich kann Dir nur den Tipp geben: Nimm Kontakt zu der Klinik auf, suche den Austausch und schaue, ob eine Hospitation möglich ist. Dann schaust Du dir das Team und die Station einmal an. Im Anschluss kannst Du dann viel besser einschätzen, was in DIESEM Krankenhaus, auf DIESER Station wichtig ist. Literatur gibt es wie „Sand am Meer“.
      LG Marc

    • Britta

      Neugierig habe ich diesen Artikel gelesen und möchte mich hiermit auch gerne einmal dazu äußern. Seit Privatisierung der Krankenhäuser ist die Problematik des Pflegenotstandes in aller Munde. Die Inklusion von Altenpflegern auf der akut Intensiv ist mal wieder ein neuer Versuch das Politikversagen zu verschleiern.
      Meine persönlichen Erfahrungen als Fachpflegerin für Intensivpflege führen zu einen anderen Fazit. Wie in Absatz 5 Zeile 9 schon beschrieben, bestehen die größten Defizite in Themenbereichen der Anatomie, Pathophysiologie und Pharamakolgie. Doch sind dieses nunmal die elementar wichtigsten Grundbausteine für eine qualitativhochwertige intensivpflegerische Versorgung um zügig und bestmöglich Verschlechterungen und Notfallsituationen entgegenzuwirken. Dieses merkten die Altenpfleger, welchen ich in meinen Arbeitsalltag auf Intensivstation begegnet bin auch. Dieses führt natürlich zu massiver Unsicherheit und Missmut in Team. Ein einfaches Ausschalten des Arterenolperfusors ohne Aktivierung der weiteren konstanten Verabreichung, der Versuch eines Weanings mit FN an einem Oralintubierten oder das fehlende Verständnis der Zusammenhänge von Erbrechen, Unruhe mit Anstieg von ICP’s bei Patienten mit Subarachnoidalblutung und externer Ventrikeldrainage. Dass es unter den Altenpflegern wissbigierge und motivierte Mitarbeiter gibt steht außer Frage; doch diese findet man sicherlich auch unter Maurern. Ich sehe die Einarbeitung mehrere Altenpfleger auf einer derartigen Station mehr als fragwürdig an. Meine Praxiserfahrung lässt darauf schließen, dass es Dienste geben wird, in denen man ausschließlich Altenpfleger antreffen wird. Ob man auf solch einer Station als zahlender Steuerzahler behandelt werden möchte, sollte man selbst entscheiden dürfen.

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    Wir sind Pflege! Denn mit mehr als zwei Millionen Patient:innen sind die Asklepios Kliniken eines der größten Gesundheits-unternehmen in Deutschland. Mehr als 67.000 Mitarbeiter:innen sind rund um die Uhr im Einsatz - ein großer Teil von ihnen als Pflegekräfte.
    Auf diesem Blog erzählen einige von ihnen aus ihrem Alltag in einer der bundesweit rund 170 Gesundheitseinrichtungen von Asklepios. Wie sie arbeiten und was sie bewegt, lesen Sie hier.

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