Der Pflegeberuf befindet sich seit ca. zwei Jahrzehnten in einer Phase der Neuorientierung. Die ursprüngliche Auffassung, dass Pflege nur ein mitwirkender Heilhilfsberuf sei, wird von der heutigen Meinung verdrängt, dass Pflege ein eigenständiger professioneller Dienstleistungsberuf ist, der auf der Basis selbst entwickelter wissenschaftlicher Konzepte und Instrumente handelt.
Fast alle Entwicklungen des letzten Jahrzehnts im Berufsfeld der Pflege werden unter dem Stichwort „Professionalisierung der Pflege“ diskutiert. Darunter werden auch die Prozesse verstanden, welche diesem Berufsbild die gesellschaftliche Anerkennung als Profession bringen sollen. Eine zunehmende Verwissenschaftlichung (Evidence-based Nursing (EBN)) und das Streben nach Autonomie für die eigenen beruflichen Tätigkeiten sind kennzeichnend für diesen Prozess, der aber auch von den Beschäftigten in der Pflege und von ihren Berufsverbänden noch dynamischer vorangetrieben werden muss. Letztlich sind auch fehlende politische Rahmenbedingungen zu bemängeln. Es fehlt derzeit vor allem an strategischen und vorausschauenden Entscheidungen der Politik.
Der internationale Vergleich
Im internationalen Vergleich hat Deutschland noch Nachholbedarf in Sachen Professionalisierung der Pflege. Diese Entwicklung begann vor etwa 100 Jahren in den USA beziehungsweise vor etwa 50 Jahren in Großbritannien. Deutschland kann dagegen erst auf ca. 20 Jahre Professionalisierung zurückschauen. Ein Blick in andere Länder wie beispielsweise in die Schweiz, die Beneluxstaaten, Großbritannien, Österreich, USA und Skandinavien lohnt sich. Die Bemühungen, die Pflege als Wissenschaft zu institutionalisieren, und dadurch eine theoretische Fundierung der Pflegepraxis zu ermöglichen, lassen sich nicht mehr zurückschrauben. Sie führen zu einem Wandel der Anforderungen an die Pflege und zu einem sich ändernden Berufsbild.
Das Studienangebot
Im Jahr 2011 existierten bereits mehr als 50 pflegebezogene Studiengänge an Fachhochschulen und Universitäten in Deutschland. Elf Jahre später im Jahr 2022 umfasst das Angebot bereits insgesamt 149 Pflege-Studiengänge, davon 105 mit einem Bachelor- und 44 mit Master-Abschluss. Die Akademisierung schreitet somit voran und für Interessierte wird es schwieriger, in dem Dschungel den richtigen Weg zu finden. Auch dieses (Über)-Angebot ist ein Ausdruck der zunehmenden Qualifizierung und damit Professionalisierung der Pflege.
Mit letzterem kommt es langfristig auch zu einem höheren Ansehen, mehr Einfluss und zu einer gestiegenen Selbstbestimmung in diesem Berufsfeld. Die Entwicklung könnte sogar so weit gehen, dass die Pflege sich von der Profession Medizin emanzipiert und eine Position „auf Augenhöhe“ als gleichwertige Profession innerhalb des Gesundheitswesens einnimmt.
Wer definiert Pflegeprofessionalität?
Pflegeprofessionalität ist ein so weitläufiger Begriff, meistens aber ohne konkreten Inhalt, denn jeder definiert sie anders. Denn professionelle Pflege, bzw. deren Qualität ist abhängig vom Ausbildungsstand, von der Berufserfahrung, Fortbildungen und natürlich auch von der eigenen Einstellung zum Beruf.
Was bedeutet Pflegeprofessionalität für die Praxisanleitung?
Als Praxisanleiterin habe ich eine entsprechende Weiterbildung abgeschlossen, um das dafür notwendige Hintergrundwissen zu erlangen. Auch nach dem Abschluss halte ich mein Wissen stets auf dem Laufenden, besuche interne und externe Fortbildungen und nutze andere Infoquellen. Ich bin an einem Austausch zwischen Theorie und Praxis interessiert, und arbeite dabei aktiv mit. Pflegeprofessionalität bedeutet für mich auch, die Praxisanleitung zielgerichtet unter Einbeziehung des gesamten Teams zu gestalten und bei Fragen dazu, jederzeit als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen. Ich bereite gezielte Anleitungen vor und führe diese mit dem Auszubildenden planmäßig durch. Dazu kommen protokollierte Gespräche, Feedback geben und erhalten.
In meiner Rolle als Praxisanleiterin bedeutet Professionalität aber auch, mich nach vorn zu orientieren und nicht rückwärts zu gehen, gerade was die Rahmenbedingungen der Anleitung betrifft. Die Probleme, Sorgen, Ängste und auch Wünsche des Auszubildenden nehme ich ernst und leiste Hilfestellung. Ich begleite den Schüler bzw. die Schülerin durch die Ausbildungsjahre, unterstütze dabei seinen/ihren Lerntyp und gestalte die Anleitungen individuell auf die Problematiken des Auszubildenden angepasst.
Meine Rolle als Stationsleitung
Auch als Stationsleitung engagiere ich mich für mehr Professionalität. Beispielsweise wird der Theorie-Praxistransfer von mir unterstützt. Ich entwickle und aktualisiere Pflegestandards, begleite meine Mitarbeitenden bei Neuerungen. Ich bin kritikfähig und kann konstruktive Kritik erteilen. Professionalität bedeutet aber auch, dass sich alle bemühen, sich ins Team zu integrieren, sich mit ihrem Wissen und Können einzubringen und den Zusammenhalt zu fördern. Als Leitung bin ich mir dabei meiner Außenwirkung und Vorbildfunktion bewusst, ich fördere und fordere meine Mitarbeitenden.
Mein Fazit
Professionalität heißt für mich, wissenstechnisch auf dem neuesten Stand zu sein, jedoch nie die Autonomie, Lebenserfahrung und Individualität des Patienten aus den Augen zu verlieren. Bei meiner Betreuung und Pflege muss ich diesen Balanceakt hinbekommen.
Zusammenfassend ist Professionalität für mich auch:
– situativ, unter Einbeziehung aller Eventualitäten, entscheiden zu können,
– zielgerichtet zu handeln,
– Ressourcen aller Art zu nutzen.
– Entscheidungen auf der Grundlage aktueller, wissenschaftlich fundierter Erkenntnisse vorzubereiten.
– Entscheidungen und daraus resultierende Handlungen transparent zu machen, mit dem Ziel, die Ergebnisse der Entscheidungsfindung umzusetzen.
– Meine eigene Gesundheit nicht in den Hintergrund zu stellen, sondern auf Selbstpflege zu achten.
– Immer auf dem neuesten Stand zu sein. Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, auch fachübergreifend, sind Pflichtprogramm.
Für mich bedeutet Professionalität auch, dass ich vor allem Stolz auf meinen Beruf und meine Tätigkeiten bin und mich nicht hinter anderen Berufsgruppen im Gesundheitswesen verstecken muss. Durch professionelle Arbeit schaffen wir Pflegenden ein Klima des Vertrauens.
Foto: Asklepios