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Fixierungen in der Psychiatrie – ein bisschen wie im Horrorfilm?

Autor:
Fixierungen in der Psychiatrie

VON LAURA BÖTTCHER

Fixierungen – das stellte ich mir in der Zeit meiner Ausbildung ein bisschen wie im Horrorfilm vor. Dann habe ich diese Situationen miterlebt und auch theoretisch dazu gelernt. Heute arbeite ich als examinierte Pflegekraft in der Psychiatrie, Fixierungen gehören zum Alltag – und mein Blick auf diese Maßnahme hat sich verändert.

Fixierung – was ist das überhaupt?

Um diese Frage zu beantworten, hier kurz eine Definition aus der Fachwelt – im Netz nachzulesen.

Als Fixierung bezeichnet man das Festbinden des Patienten mit einem geeigneten Gurtsystem auf einem Krankenhausbett. Dies soll seine Bewegungsfähigkeit deutlich mindern oder fast vollständig unterbinden.

Eine Fixierung erfolgt aber natürlich nicht routinemäßig bei jedem Patienten. Es ist die absolute Ausnahme und das letzte Mittel der Deeskalation, wobei vorher andere Maßnahmen erfolgt sein müssen.

Nun ja, jeder Azubi in der Krankenpflege wird irgendwann in seiner Ausbildung einmal darauf stoßen: das Fixierbett in der Psychiatrie. Es kursieren viele Mythen und Unklarheiten darüber. Ich werde öfters gefragt, aus was denn so ein Fixierbett besteht oder ob der Patient dann hungern müsse.

Fixierbett

Um das gleich mal klar zu stellen: Nein, der Patient verhungert und verdurstet nicht, dazu ist das Personal ja da. Wir achten auf die wichtigsten Dinge des alltäglichen Lebens wie essen und trinken, ausscheiden, Körpertemperatur regulieren, ruhen und schlafen. Es gibt zwölf dieser sogenannten Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL). Einen Überblick über die ATL gibt es hier.

Wann muss ein Mensch fixiert werden?

Fixierungen finden überwiegend in der Psychiatrie statt. Die Patienten müssen bestimmte Indikationen aufweisen, sodass eine Fixierung gerechtfertigt ist. Etwa eine akute Eigengefährdung, zum Beispiel, wenn er suizidgefährdet ist oder sich nicht an Absprachen hält. Oder der Patient ist eine Gefahr für andere (Fremdgefährdung), etwa durch Aggressivität und Gewalt. Dies wären Gründe, um jemanden zu fixieren.

Wie lange die Fixierung dann tatsächlich andauert, ist von Patient zu Patient unterschiedlich – die Zeit sollte aber natürlich so kurz wie möglich gehalten werden. Der Zeitraum kann dabei nur wenige Stunde aber auch mehrere Tage betragen. Täglich wird die Notwendigkeit der Fixierung neu überprüft und beurteilt. Dabei müssen mehrere rechtliche Bestimmungen und Vorgehensweisen eingehalten werden, auf diese möchte ich aber nicht weiter eingehen.

Wie ist es, dabei zu sein?

Es ist etwas anderes, zu beobachten, als selbst zuständig zu sein. Das habe ich nach meiner Ausbildung festgestellt. In diesen drei Jahren habe ich bei drei Fixierungen zugeschaut. Das war ziemlich beeindruckend für mich. Laut schreiende, um sich schlagende Patienten. Ich empfand es als beängstigend und einschüchternd und konnte mir damals schwer vorstellen, dass ich jemals in einer solchen Situation mit agieren kann und möchte.

Mittlerweile habe ich gelernt, dass diese Maßnahme zum Alltag dazu gehört und sich für den Patienten eher hilfreich auswirkt, um ihn vor sich selbst oder andere Menschen vor ihm zu schützen. Der Akt des Fixierens an sich ist jedes Mal spannend, da immer andere Umstände vorherrschen und jeder Mensch darauf anders reagiert. Nach den ersten Fixierungen, bei denen ich selbst mit dabei war, wurde meine Angst vor den tobenden Patienten weniger. Mein Respekt vor so einer Situation ist aber nicht verschwunden.

Wie wirkt so etwas auf Patienten?

Die Reaktionen fallen sehr unterschiedlich aus. Einige reagieren ängstlich oder haben zumindest Respekt vor solch einer Maßnahme. Viele Patienten stellen viele Fragen zu dem Thema und möchten so etwas nie wieder erleben. Manchmal wirkt sich diese Einstellung positiv auf den weiteren Werdegang, die Motivation und Disziplin des Patienten aus. Einige wenige versuchen, das Ganze etwas ins Lächerliche zu ziehen.

Was sagen Patienten, nachdem sie defixiert wurden?

Auch hier fallen die Meinungen sehr unterschiedlich aus. Die Reaktion ist auch abhängig vom Krankheitsbild. Viele reagieren sehr schambehaftet und nehmen sich vor, keinesfalls wieder in solch eine Situation zu gelangen. Andere kennen Fixierungen schon (zum Beispiel aufgrund einer langjährigen, chronischen psychischen Erkrankung) aus der Vergangenheit und akzeptieren sie für sich – mit dem Wissen, dass die Fixierung der Besserung ihres Zustands dient.

Fotos: Laura Böttcher

Kommentare

14
  • Wilhelm

    Sehr interessanter und aufklärender Artikel zum Thema.

  • Sandra

    Ich wurde selbst als Kind im Kinderheim regelmäßig fixiert ob die Gründe dafür gerechtfertigt waren darüber lässt sich sicher streiten anschließend habe ich ein Psychologie Studium absolviert die Beweggründe waren sicher dafür meine Vergangenheit verstehen zu wollen allerdings bin ich auch heute noch davon überzeugt dass die Menschen die dieses Verfahren anwenden sich nicht bewusst sind was ist wirklich mit dem Menschen der da an einem Bett fixiert wird emotional anrichtet.

  • Kerry

    Es ist die Frage wie man die Fixierung wahrnimmt und ob man Sie akzeptiert. Ich leide seit jeher daran dass ich Angst davor habe einzuschlafen. Das einzige was mir wirklich und am Besten hilft wenn ich nicht dauerhaft Medikamente nehmen möchte ist die Fünf-Punkt-Fixierung. Fixiert ist meine Angst wie weggewischt und ich schlafe ruhig durch. Im Gegensatz zu Anderen die so etwas nicht möchten ist die Fixierung mein Wunsch und vermittelt mir ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Für mich ist es unangenehm z.Bsp. im Krankenhaus oder vom Partner mit meinem Bedürfnis nicht anerkannt zu werden und ohne Fixierung mit Medikamenten die ich nicht nehmen möchte auskommen zu müssen. Mein innigster Wunsch ist mich für meine Fixierung und gegen alle Alternativen entscheiden zu dürfen.

    • Reiner Ott

      Vielen Dank für den Einblick in die schwere Arbeit einer Pflegekräfte einer Akut Psychiatrie. Allerdings erschrecken mich die vielen inhaltlichen Fehler. Auch die Nennung der Menschenrechtsverletzungen und Verstöße nach dem PsychKG erschrecken mich massiv.

      Zitat:
      „Etwa eine akute Eigengefährdung, zum Beispiel, wenn er suizidgefährdet ist oder sich nicht an Absprachen hält. “

      Eine Fixierung ist ausnahmslos nur bei Fremd- und Selbstgefärdung erlaubt. Und nicht um fehlende Absprachen oder Compliance zu erzielen!

      Habe mir erlaubt, das HambPsychKG zu zitieren, in anderen sieht es sehr ähnlich aus:

      “ § 18
      Fixierungen

      (1) Eine untergebrachte Person darf zeitweise fixiert werden, wenn und solange die gegenwärtige erhebliche Gefahr besteht, dass sie gegen Personen gewalttätig wird oder sich selbst tötet oder sich verletzt, und diese Gefahr nicht anders abgewendet werden kann. …“

      http://www.landesrecht-hamburg.de/jportal/portal/page/bshaprod.psml?showdoccase=1&doc.id=jlr-PsychKGHArahmen&st=lr

      Weiter in dem Artikel:

      „Täglich wird die Notwendigkeit der Fixierung neu überprüft und beurteilt.“

      ok, der Artikel ist geschrieben und veröffentlich worden, vor dem BGH Urteil, nur länger als 30 Minuten bedarf es eines richterlichen Beschlusses. Und mehrfach täglich sollte überprüft werden, ob die Fixierungen gelockert werden kann.

      https://www.aerztezeitung.de/Politik/Fixierung-in-Psychiatrie-nur-mit-Richter-Zustimmung-231950.html

      „Mittlerweile habe ich gelernt, dass diese Maßnahme zum Alltag dazu gehört“

      Das es zum Alltag dazu gehört muß nicht sein. Es soll Kliniken geben, die manchmal Monatelang keine Fixerungen benötigen (siehe auch Heidenheim oder Herne – Konzept der offenen Tür). Es wird dringend Zeit, das die Zahlen der Zwangsmaßnamen öffentlich bekannt gemacht werden.

      Auch werden in dem Bericht der Brandenburger Besuchskommision (Klinik der Autorin) von sehr stark schwankenden Zahlen bei Zwangsmaßnahmen berichtet. Da wäre es sehr spannend zu erfahren, in welchem Bereich die Klinik der Autorin beheimatet ist, wenn hier von Fixierungen gehören zum Alltag.

      „Manchmal wirkt sich diese Einstellung positiv auf den weiteren Werdegang, die Motivation und Disziplin des Patienten aus. “

      Aus Disziplanarische Gründen einen Menschen zu fixieren, ist für mich ganz Klar ein Verstoß gegen des Menschenrecht. Dieses Vorgehen gehört für mich vor die Etikkommision und damit grundlegend auf den Prüfstand gestellt werden.

      • Blog Team
        Blog Team

        Sehr geehrter Herr Ott, vielen Dank für Ihren Kommentar und die Hinweise. Selbstverständlich und sehr ausdrücklich möchten wir als Arbeitgeber unserer Bloggerin festhalten, dass in unseren Kliniken die Menschenrechte ausnahmslos geachtet und respektiert werden. Wenn in dem Beitrag Abschnitte missverständlich formuliert wurden, bitten wir dies zu entschuldigen. Wir möchten unseren Mitarbeitern beim Schreiben den nötigen Freiraum geben und haben somit die Formulierungen nicht auf rechtliche Korrektheit geprüft, dies bitten wir zu entschuldigen. Es handelt sich bei diesem Beitrag um ein sehr sensibles Thema, was auch die vorherigen Kommentare verdeutlichen. Unterschiedliche Meinungen und Einschätzungen sind uns daher wichtig. Die Asklepios Kliniken informieren die entsprechenden Behörden immer transparent und vollständig.

        • Michael Knauth

          Die duemmste ausrade die ich je gelesen habe
          Fixierungen sind schwere folter ich hatte extreme todesangst und durchblutungsstoerungen .war 50stunden im zfp weinsberg fixiert gehe anwaltlich dagegen vor . Eine so unbedarfte kraft in solches thema zugeben und es in richtung horror zuverschieben ist skandaltraechtig . Im eigenen interrese sollte der artikel verschwinden sonst geht er richtig viral mal sehen ob das dem image hilft

          • Blog Team
            Blog Team

            Sehr geehrter Herr Knauth,
            herzlichen Dank für Ihren Kommentar. Uns ist natürlich bewusst, dass es sich bei diesem Beitrag um ein sehr sensibles Thema handelt. Wir haben uns dennoch entschieden, diesen persönlichen Einblick unserer Mitarbeiterin zu veröffentlichen und stehen auch weiterhin hinter dem Inhalt. Wir möchten aber auch hinzufügen, dass dieser Artikel vor dem BGH-Urteil geschrieben und veröffentlich wurde. Selbstverständlich haben wir alle Vorgänge in unseren Kliniken sofort gemäß dem Urteil angepasst. Wenn Sie einen weiteren Austausch wünschen, sind wir dazu natürlich immer bereit, wenden Sie sich gern an wirpflegen.hamburg@asklepios.com.

  • Erika Nuding

    Hallo.
    ich bin die patientin und wurde im Dezember das letzte Mal fixiert. die längste Fixierung ging 18 Stunden. ein sehr schlimmes Gefühl wenn einem die Freiheit entzogen wird. Ich wurde immer wegen akuter Eigengefährdung fixiert, mit viel Gewalt und Spritzen wurde Ich festgeschnallt.. echter horror.. Ich habe davon ständig Flashbacks… kein tolles Gefühl… aber wenn ich rückblickend schaue war es in dem Moment gerechtfertigt, da ich mir versucht habe das Leben zu nehmen…
    eine pflegerin die mit mir gut klar kam, hat es sehr mitgenommen…

    momentan geht es mir ganz gut..

    lg erika

    • Blog Team
      Blog Team

      Vielen Dank für Ihren Beitrag. Wir freuen uns, dass es Ihnen wieder besser geht und wünschen Ihnen alles Gute!

  • Jojo

    Ich wurde in meinem Leben oft fixiert und kann heute sagen, dass jede Fixierung für sich schrecklich für mich war. Es ist Gewalt und es sollte nicht zum Alltag gehören, auch nicht in einer Psychiatrie. Niemand sollte so etwas erleben müssen. Es gäbe andere Möglichkeiten, da bin ich mir sicher. Aber vermutlich müsste man dafür im gesamten Gesundheitssystem einiges verändern. So bräuchte es z.B. deutlich mehr Pflegekräfte in der Psychiatrie.
    Als ich das erste Mal fixiert wurde, war ich gerade 16 Jahre alt. Die gesamte Nacht hat kein Mensch, obwohl sie es mir versprochen hatten, nach mir geschaut. Ich lag weinend da, habe die diensthabenden Pfleger lachend und schwatzend fernsehen hören. Wenn es mir sehr schlecht geht, kann ich nicht mehr sprechen. Also konnte ich auf die Frage: „Bist du wieder ruhig?“ nicht antworten und mein Nicken hat diesem Arzt anscheinend nicht gereicht. Anscheinend war das fehlende „Ja“ meinerseits Grund genug, mich die gesamte Nacht angebunden liegen zu lassen. Es war eine schreckliche Nacht und ich verstehe bis heute nicht, wie man einem KIND so etwas antun kann. Dabei hätte ich damals lediglich Jemanden gebraucht, der mich in den Arm nimmt und mir sagt, dass alles gut wird.
    Mich haben die Fixierungen traumatisiert und noch heute kommen die Gefühle von damals hoch, auch wenn ich eine geschlossene Station nur betrete, um jemanden zu besuchen. Ich war nun seit über zwei Jahren nicht mehr in der Klinik und möchte dies möglichst auch nie wieder. Zu groß die Angst, wieder festgebunden zu werden. Der Blogbeitrag hier bagatellisiert das Fixieren. Vielleicht muss man das als Pflegekraft so sehen, um es überhaupt ertragen zu können. Vielleicht stumpft man auch einfach komplett ab mit der Zeit. Aber Fixierungen sollten nie zum Alltag gehören und meiner Meinung nach ganz verboten gehören. Es gibt immer Mittel und Wege. Wenn man denn möchte. Eine Fixierung ist nicht spannend, sondern grausam. Und es tut mir im Herzen weh, dass noch immer Menschen so etwas erleben müssen.

  • Michael

    Hallo , also ich war in der Kölner Psychiatrie mit dem Nachthemd und an segufix Gurten an Händen und Füßen im Bett fixiert. Für 24 std per Gerichtsbeschluss. Und in ein beobachtungszimmer mit Scheibe gebracht. Da ich sehr stark Alkoholisiert und fast bewusstlos in einer U-Bahn Station gefunden wurde und um mich schlug sowie ständige suizid Äußerungen tätigte sagte man mir im Nachhinein das es keine andere Möglichkeit gab . Dazu wurde ich noch medikamentös mit Tavor ruhiggestellt. Am Ende danke an die Notärztin die schon im RTW deeskalierend Schein Anwesenheit von Polizei einredete . Und mich in der Klinik ihrer Kollegin Fachärztin für Psychiatrie übergab. Im Nachhinein sehe ich ein das meine Fixierung nötig war , wer weiss was ICH sonst angestellt hätte .

    Michael

  • Kerstin Pester

    Ich habe einen Klienten mit Autismus, der in einer Akutsituation für mehrere Stunden fixiert wurde.
    Das hat seinen frühkindlichen Traumata noch ein weiteres hinzugefügt.
    Wenn man ihn verstanden hätte, wäre das niemals nötig gewesen.
    Vielleicht sollte man dieses archaische Mittel nochmal ganz allgemein auf den Prüfstand stellen, in den allermeisten Fällen gäbe es eine wesentlich bessere Alternative!

  • Uwe

    Vielen Dank für den offenen Artikel.
    Eine Fixierung sehe ich als schweren Eingriff an. Ich hoffe, dass diese nicht zur „Überredung“ eingesetzt wird.
    Ebenso wenig wie andere Zwangsmaßnahmen. Manchmal denke ich, dass dies nur ein Spiegelbild unserer sozialen Umgebung ist. Sparübungen bei der personellen Mitarbeiterstärke können sicherlich zu Entscheidungen führen, die mit ethischen Vorstellungen nicht mehr überein kommen.

    • Blog Team
      Blog Team

      Selbstverständlich handeln unsere Mitarbeitenden auch bei Engpässen sozial und ethisch korrekt, sie veranlassen nur notwendige Maßnahmen und Fixierungen. Bestehende Personalengpässe sind dem Fachkräftemangel geschuldet und keine Sparübung, zudem haben sie keinen Einfluss auf das ethische Handeln der Mediziner und Pflegekräfte.

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