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Der Umgang mit Keimen: Voll isoliert

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Bevor ich mich für die Ausbildung zum Krankenpfleger entschied, machte ich ein einmonatiges Praktikum in der heutigen Asklepios Klinik Wandsbek, die damals noch zum Landesbetrieb Krankenhäuser gehörte. Ich war damals völlig unerfahren, was in einem Krankenhaus passiert. Entsprechend habe ich viele Dinge erlebt, die ich nicht erwartet hätte. Auch mit einem Thema, das heute zu einem großen Problem geworden ist, wurde ich damals schon konfrontiert: mit dem Auftreten multiresistenter Erreger.

Meine ersten Erlebnisse: MRSA?!

Damals hatten wir eine Patientin auf der Station, bei der ein Erreger namens MRSA nachgewiesen wurde. In der direkten Konsequenz wurde diese Patientin in einem Einzelzimmer untergebracht. Jede Pflegekraft, jeder Arzt und jeder Besucher musste sich fortan vollständig mit Kittel, Mundschutz und Haube „verkleiden“, ehe das Zimmer betreten werden durfte. Das machte die Versorgung natürlich für alle Beteiligten um einiges aufwändiger. Als Praktikant verstand ich damals nur die wichtigste Botschaft: „Das ist für dich nicht gefährlich, wenn du die Schutzmaßnahmen einhältst! Wenn wir es aber auf andere Patienten mit eingeschränkte Immunabwehr übertragen, kann es sehr gefährlich werden“. Ja, das konnte ich damals verstehen…

Und heute? Resistente Erreger

Während meiner Ausbildung lernten wir als angehende Pflegekräfte mehr. Wir befassten uns mit Mikrobiologie und Hygiene bzw. dem Bereich der Krankenhaushygiene im Speziellen. Ich lernte, wie ich als Mitarbeiter durch meine Hände, durch Gegenstände oder Hilfsmittel Keime in der Klinik verteilen kann und wie gefährlich das ist. Ich lernte den Stellenwert einer guten Krankenhaushygiene. Zeitgleich wurden die Probleme mit antibiotikaresistenten Erregern auch zunehmend in der Öffentlichkeit wahrgenommen.

Das Problem lässt sich stark vereinfacht so beschreiben: Wir alle tragen ein reichhaltiges Spektrum an Erregern u.a. auf unserer Haut bzw. in verschiedenen Hautfalten, in unseren Atemwegen, auf unseren Schleimhäuten. Einige können uns krank machen, andere fühlen sich dort einfach wohl. Viele tun uns selber in der Regel nichts – im Gegenteil: Sie sind sogar lebensnotwendig! Wenn sie allerdings bekämpft werden müssen, reagieren sie unterschiedlich: Einige dieser Erreger sind sehr empfindlich, andere sind inzwischen aufgrund ganz unterschiedlicher Mechanismen gegen viele unserer Medikamente immun.

Bei gesunden Menschen schafft das eigene Immunsystem oft den Kampf gegen die unerwünschten Plagegeister. Nun kann es aber passieren, dass ein solcher Erreger auf einen Menschen trifft, dessen Immunsystem geschwächt ist. Bei diesem Menschen kann die Reaktion ganz anders sein. Der Erreger kann eine Wunde besiedeln, zu einer Lungenentzündung oder einer Blutvergiftung führen oder ganz andere ernste Konsequenzen haben. Versuchen wir, diesen Menschen nun mit Antibiotika zu behandeln, stellen wir schnell fest – bringt inzwischen häufig nichts mehr!

Medikamente aus dem Panzerschrank

Ein alter Oberarzt beschrieb mir am Anfang meiner beruflichen Entwicklung die Situation ganz einfach: „Früher versorgten wir alle Patienten mit Antibiotika. Wenn die alle nicht wirkten, holten wir den großen Schlüssel raus, machten den Panzerschrank auf und holten das Reserve-Antibiotikum raus. Das half dann! Inzwischen müssen wir das fast immer einsetzen, da die anderen nicht mehr wirklich helfen. Selbst das Reserve-Antibiotikum hilft häufig nicht mehr. Die Erreger sind inzwischen resistent“.

Es ist komplexer

Ganz so schlimm ist es wohl nicht. Aber das Problem der Resistenzen ist inzwischen unglaublich komplex und gefährlich! Nicht nur, aber besonders bei schwerstkranken Patienten ist dies eine Herausforderung. Aus diesem Grund werden routinemäßig fast alle Patienten auf eine Vielzahl an Erregern untersucht. Werdet Ihr zum Beispiel auf einer Intensivstation aufgenommen, werden von Euch inzwischen mehrere Abstriche genommen und untersucht. Es wird überprüft, ob ihr unbemerkt „Problem-Keime“ tragt. In einigen Ländern werdet ihr auch grundsätzlich erst einmal vollständig isoliert, ehe die Ergebnisse der Untersuchung vorliegen. Die nordischen Länder sind da beispielsweise sehr restriktiv. Eine Praxis, die auch bei uns immer mehr Verbreitung findet. Das geschieht bei uns nur, wenn es einen Verdacht gibt. Wenn Ihr zum Beispiel aus einer Pflegeeinrichtung oder aus einem anderen Krankhaus zu uns kommt. Wenn Ihr im Ausland wart, wo eine große Verbreitung spezieller Keime herrscht oder wenn bei Euch schon einmal ein Keim nachgewiesen wurde. Es gibt viele weitere Faktoren, die bei uns zu einer sogenannten Eingangsisolation führen.

Bestimmung der wirksamen Medikamente

Kommt es nun bei einem Patienten zu einer Infektion, werden heute die wirksamen Antibiosen im Labor bestimmt. Gemeinsam mit einem Pharmakologen und einem Mikrobiologen wird die geeigneten Medikamente gewählt und in ihrer Wirksamkeit überprüft. Die Krankenhaushygieniker und Hygiene-Teams wiederum überwachen das Auftreten verschiedener Erreger in einer Klinik, leiten mit den Stationen die geeigneten Maßnahmen ein und überprüfen diese auch. Detaillierte Hygienepläne geben klare Strukturen vor und schaffen Sicherheit. Allerdings nur, wenn sie auch strikt befolg werden: In der Praxis heißt das, dass alle Menschen, die Kontakt mit einem solchen Patienten haben, sich an bestimmte Regeln halten müssen. Kittel, Handschuh, Mundschutz und Haube gehören dazu, wie auch die korrekte Hände-Desinfektion vor und nach Kontakt mit dem Betroffenen – trotz Handschuhen. In den meisten Kliniken stehen alle paar Meter Desinfektionsspender für Besucher und Personal bereit.

Als Mitarbeiter im Krankenhaus kann ich hier gar nicht genug an alle appellieren, sich an diese Regeln zu halten. Wenn Ihr also einmal ins Krankenhaus kommt und man Euch bittet, euch zu verkleiden und die Hände zu desinfizieren – unterstützt das unbedingt. Nehmt diese Auflagen nicht auf die leichte Schulter, sondern beachtet sie penibel. Auch Zuhause kann man etwas ganz Leichtes tun: Hände waschen. Klingt banal, ist aber effektiv. Das Problem mit resistenten Keimen ist heute ein allgegenwärtiges! Es ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit.

Foto: Fotolia/ contrastwerkstatt

Marc Alexander Noll

(Jahrgang 1981) ist Stationsleiter der Internistischen Intensivstation der Asklepios Klinik Barmbek. Er ist verheiratet und hat einen Sohn. Marc hat ein Faible für unnötiges technisches Spielzeug, wie er selbst sagt. Bei Computern und Handys ziehen ihn die neuesten Modelle magisch an. Sport steht täglich auf Marcs Programm. Er geht Joggen, am liebsten im Jenfelder Moor, oft aber auch einfach vor der Haustür. Neuerdings macht er Karate – als Ausgleich und zum Abreagieren. Auch seinen Sohn konnte er für die asiatische Kampfkunst begeistern. Wunderbar abschalten kann Marc auch mit der Gitarre in der Hand. Er spielt in einer Band, mit der er regelmäßig auftritt.


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Auf diesem Blog erzählen einige von ihnen aus ihrem Alltag in einer der bundesweit rund 170 Gesundheitseinrichtungen von Asklepios. Wie sie arbeiten und was sie bewegt, lesen Sie hier.

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