Im ersten Teil von Emmas Geschichte ging es um den Beginn ihrer Erkrankung. Hier kommt der zweite Teil. Ich könnte jetzt sagen: das Ende. Aber das ist zu wenig. Denn gerade dieses Beispiel zeigt, mit welcher Kraft der ganze Weg einer chronischen Erkrankung gegangen werden kann.
Chemotherapie – hilfreich oder quälend?
Nach der Diagnose folgt die empfohlene Leitlinientherapie. Auch wenn keine Heilungschancen bestehen, wird eine Chemotherapie zur Tumor- und Metastasenverkleinerung gemacht, um die verbleibende Lebenszeit zu verlängern. Die befallene Brust soll erstmal nicht operiert werden. Zuerst soll der Tumor durch die Chemo schrumpfen.
Emma und ihr Umfeld befinden sich einerseits in einer Schockstarre, andererseits versuchen alle weiterzumachen. Auch Emma ist es wichtig, weiter arbeiten zu gehen. Im Juni 2016 beginnen die ersten Chemotherapien. Sie verträgt die Medikamente erstaunlich gut. Im Juli 2016 kommt es dann zu einem Zwischenfall. Die betroffene Brust muss wegen zunehmender Infektionen und einem Abszess doch amputiert werden. Sie hatte schon Wochen zuvor die Ärzte darum gebeten, zu operieren. Es fühle sich an, als sei etwas nicht in Ordnung. Dass die Ärzte erst jetzt reagieren, erschüttert ihr Vertrauen.
Auch das Chaos macht mal Pause
Nach der Operation folgt eine Phase der Ruhe, trotz aller Tragik. Erst im Oktober 2016, dem Monat ihres 32. Geburtstages, wird die erste Chemotherapie in ein anderes Präparat geändert, denn die Lungenmetastasen haben sich vergrößert. Emma trägt das mit Fassung, sie arbeitet und betrachtet Normalität als Luxus. Weltreise? Nix für sie. Die Änderung der Chemotherapie hilft etwa bis zum Winter 2016/17, dann kommen Knochenmetastasen dazu. Im Januar wird auf das dritte Präparat umgestellt, was sie gar nicht verträgt. Ihr geht es so schlecht, dass sie sagt, so wolle sie nicht mehr leben. Emma denkt sogar darüber nach, die Therapie abzubrechen und damit in Kauf zu nehmen, früher zu sterben. Als hätte ihr Körper entschieden, durch die Nebenwirkungen zu zeigen, dass das Präparat nicht wirkt, wird im März 2017 klar, dass die letzte Therapiephase einsetzt. Es haben sich Lebermetastasen entwickelt.
Austherapiert – nichts hilft mehr
Die letzte Therapiephase sieht ein orales Chemotherapeutikum vor. Für Emma eine Entlastung. Keine Infusionen mehr. Bis in den Mai 2017 hinein ist es vor allem die Fatigue (chronische Müdigkeit), die sie belastet. Dann kommen die Schmerzen. Um Pfingsten herum werden die Schmerzen durch die Wirbelsäulenmetastasen für Emma unerträglich. Sie hat sich einen Palliativdienst organisiert, über den sie mit Morphin zu Hause versorgt werden kann. Einige Tage hat Emma dann aber doch im Krankenhaus verbringen müssen, weil die Schmerzmedikamente stationär besser umzustellen waren. In diesem Zusammenhang wurde zum ersten Mal Strahlentherapie zur Verkleinerung der Wirbelsäulenmetastasen angedacht. Im Juni hat sie gestartet. Immer montags.
Abschied nehmen
Die dritte Sitzung am 18. Juni 2017 hat Emma so geschwächt, dass sie zum ersten Mal nicht wie gewohnt in die eigene Wohnung zurückkann. Sie bleibt in der Klinik und wird von der Gynäkologie am 20. Juni 2017 um die Mittagszeit auf die Palliativstation verlegt. Das ist der Moment, in dem Emma ihre Mutter anruft und selbst registriert, dass sie bald sterben wird. Bis dahin hat sie alle Krankenhausbesuche abgewehrt. Sie verstirbt noch am Abend desselben Tages.
Teil der Ausbildung in der Pflege
Was können angehende Pflegekräfte mitnehmen? Die Auszubildenden erleben wie alle Pflegekräfte ähnliche Schicksale Tag für Tag. Nicht über alle Patienten wissen sie so viel wie ich über Emma. Emma fällt einerseits durch ihr hohes Autonomiebedürfnis auf. Das kann auch bei der pflegerischen Betreuung eine Rolle spielen. In ihren letzten Lebenstagen wurde sie zunehmend pflegebedürftig, aber immer noch mit der Motivation, alles was geht selbst durchzuführen. Auch das können Auszubildende aus so einem Fall lernen: Jemandem viel abzunehmen, hilft nicht immer viel. Darüber hinaus kommen im Unterricht bei solchen Fallbeispielen auch eigene Erfahrungen aus dem Klinikalltag hoch. Im Klassenraum haben wir dann die Möglichkeit, darüber zu sprechen. Auch das hilft den Auszubildenden, denn auf der Station im Alltagsgeschehen fehlt oft die Zeit dafür.
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