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Dienstplanung: Sudoku für Profis

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Pflege erfolgt fast immer im Schichtdienst. Während ich diese Zeilen schreibe, arbeiten rund um den Globus eine unglaubliche Zahl an Pflegekräften für ihre Patienten. 365 Tage im Jahr. 24 Stunden am Tag. Bei mir auf Station übergibt gerade der Frühdienst an den Spätdienst. Es ist ein kontinuierlicher Betrieb. Eine interessante Vorstellung.

Diese Art der Arbeit will geplant werden. Es gibt eine Vielzahl an Methoden und Konzepten, wie Dienstpläne geschrieben und Schichten organisiert werden müssen. Viele „Fachmänner/-frauen“ haben ihre eigenen Empfehlungen und Überzeugungen. Weiter wird dieses Konstrukt durch gesetzliche und tarifrechtliche Regelungen eingegrenzt. Auch die Tatsache, dass viele Mitarbeiter in Teilzeit tätig sind und ihre Flexibilität Einschränkungen unterliegt, erschwert eine gute Dienstplanung.

Bei uns im Haus

Bei uns in der Klinik kommt ein Drei-Schicht-Modell zum Tragen. Wenngleich es sehr viele verschiedene Zwischenschichten und spezielle Dienste gibt, um gewisse Ruhezeiten einzuhalten, teilt sich das Raster grob in Frühdienst, Spätdienst und Nachtdienst.

Wir haben auf Station die Regelung, dass jedes zweite Wochenende garantiert dienstfrei ist. Diese Regelung wird nur durch spezielle Ereignisse unterbrochen (Urlaube, Feiertage). Der Vorteil ist, dass jeder Mitarbeiter theoretisch heute schon weiß, ob er zum Beispiel am ersten Wochenende im März 2020 arbeiten müsste. Nachteil ist, dass die Mitarbeiter ihre Wochenenden selbstständig untereinander tauschen müssen, sollten sie an einem Dienstwochenende „frei“ benötigen. Mein Team ist entsprechend in zwei Wochenend-Gruppen unterteilt. Aus diesem Muster ergeben sich automatisch Dienstfolgen von sieben und drei Tagen Arbeit, unterbrochen von jeweils zwei freien Tagen.

Was zu beachten ist

Nun geht es auf einer Intensivstation nicht nur um die Zahl der Köpfe, die anwesend sind. Es sind eine Vielzahl an unterschiedlichen Anforderungen zu beachten. Nicht jeder darf oder kann alles machen. Auch die Mischung aus unterschiedlichen Berufserfahrungen und Qualifikationen ist bei der Planung zu berücksichtigen. Neue Kollegen / Einarbeitungen, Auszubildende, Fachweiterzubildende, angehende Rettungskräfte und Praktikanten müssen geplant und zugeteilt werden.

Auch Fort- und Weiterbildung, Pflichtfortbildungen, Außeneinsätze und die Urlaubsplanung müssen berücksichtigt werden. Das gravierendste ist aber, dass Mitarbeiter frecherweise ja nicht nur für die Arbeit leben. Es soll ja tatsächlich Menschen geben, die sich ein Privatleben wünschen. Klingt komisch, oder?

Wer will wann was?

Gerade in einer Zeit, in der Krankenpfleger sich aufgrund des Mangels an qualifizierten Kräften ihren Arbeitsplatz aussuchen können, kommt der Mitarbeiterorientierung eine große Bedeutung zu. Die Dienst- und Freizeitplanung eines Mitarbeiters bekommt eine sehr hohe Priorität. Ein Dienstplan ist eine Gratwanderung zwischen dienstlichen Bedürfnissen und verantwortungsbewusstem Umgang mit der Zeit des Mitarbeiters. Auf meiner Station nutzen wir hierfür drei Instrumente.

  1. Faktor Zeit: Damit ein Mitarbeiter vorausschauend planen kann, stehen immer die Dienstpläne für ein Quartal zur Verfügung. Das heißt, die nächsten drei Monate kann der Mitarbeiter seine Termine planen und gegebenenfalls Dienste tauschen.
  2. Monats-Wunschplan: Hier kann und soll jeder Mitarbeiter fünf Dienstplanwünsche mit Priorität eintragen. Zwar versuchen meine Stellvertretung und ich auch weitere Wünsche zu ermöglichen, tangieren diese aber die Dienstplanung anderer Kollegen, hat eine logische Dienstfolge Vorrang.
  3. Rahmenwunschplan: Ein Mitarbeiter hat einmal in der Woche am Mittwoch Häkelkurs? Passt! Auch individuelle Vorlieben können hier vermerkt werden. Leistet ein Mitarbeiter lieber Frühdienste, Spätdienste oder Nachtdienste? Wie viele? Wie oft im Monat?

Aus all den genannten Informationen dürfen wir nun einen homogenen und fairen Dienstplan zaubern. Meine Stellvertretung und ich wechseln uns jeden Monat mit der Dienstplanung ab.

Jetzt kann es losgehen

Nun beginnt das, was ich gerne als „Sudoku für Profis“ bezeichne. In einem ersten Schritt werden alle Wünsche in das Dienstplanprogramm eingegeben. Dankenswerterweise machen wir die Dienstplanung heute am Computer. Dies erspart viel Rechnen und erleichtert einem die Übersicht immens. Die Dienste werden im Programm, farblich unterschiedlich, mit Zahlen angezeigt. Sind alle Wünsche übertragen, geht es ins Detail.

Aus verschiedenen Untersuchungen wissen wir, dass Vorwärtswechsel zu bevorzugen sind. Das bedeutet, dass auf Frühdienste, Spätdienste folgen und dann etwa in den Nachtdienst gewechselt wird. An den Nachtdienst sollte sich eine möglichst lange Freiphase anschließen. Kurze Wechsel aus dem Nachtdienst sollten vermieden werden. Hier geht es um die Gesundheit und die Belastung der Kollegen.

So schön dies in der Theorie ist, so unmöglich ist diese Vorstellung im Dienstplan für alle zu realisieren. Durch die festen Wochenenden ergeben sich weitere Herausforderungen. Gleichzeitig versuchen wir, ungünstige Wechsel und kurze Freiphasen bei der Planung zu minimieren.

Lücken füllen

Wenn ich mit der Verteilung aller Mitarbeiter fertig bin, sehe ich meistens, dass mir noch viele Einzeldienste fehlen. Nun beginnt das Geschiebe. Hier einen Tag frei mehr, dafür an einer anderen Stelle einen Tag länger arbeiten… An der einen Stelle muss ein Kollege in den Frühdienst, an der anderen einer aus dem Frühdienst in den Spätdienst.

Nun noch einmal ein Blick auf die Qualifikationen. Sind die Schichten gleichmäßig verteilt, oder gibt es Tage, wo nur junge oder unerfahrenere Pflegekräfte im Dienst sind? Auch hier muss gegebenenfalls nachgebessert werden. Sind alle Einarbeitungen und Auszubildenden einem qualifiziertem Praxisanleiter zugeteilt?

Nach ein paar Stunden Arbeit findet man immer weniger Lücken. Nun noch einen kontrollierenden Blick auf die Stundenkonten der Mitarbeiter. Hat jemand Überstunden, die abgebaut werden müssen? Sind Mitarbeiter in Minusstunden und müssen in zusätzliche Dienste geplant werden? Haben die Kollegen dann dennoch genug Ruhezeiten? Ist jeder Mitarbeiter in allen drei Schichten geplant? Dies ist für die Fairness und die Vergütung wichtig.

Feintuning

Nun verteile ich noch spezielle Dienste für Mitarbeiter, die besondere Aufgaben für die Station erbringen. Hierfür brauchen sie natürlich zeitlich die Möglichkeit. Dann noch prüfen, ob man Zusatzurlaubstage verteilen kann, um den Kollegen ein „längeres Frei“ zu ermöglichen.

Eine ehemalige Stationsleitung meinte einmal zu mir: „Ich schaue mir immer jeden einzelnen Dienstplan der Mitarbeiter an und prüfe, ob ich so arbeiten könnte.“ Diese Methode habe ich mir abgeschaut. Ist der Plan homogen verteilt, und sind alle Schichten mit der notwendigen Anzahl an Mitarbeitern besetzt, gehe ich jeden Mitarbeiter einzeln durch und schaue, ob ich so arbeiten könnte bzw. wollte.

Abschließend noch einmal einen kontrollierenden Blick auf den Wunschplan und den Rahmenwunschplan. Konnte ich alle Wünsche ermöglichen?

Wenn nicht, aus welchem Grund?

Meine Erfahrung zeigt: Ich bin nach einem Tag der Dienstplanung „zahlenblind“. Aus diesem Grund lasse ich den Plan dann einen Tag ruhen. Danach noch einmal alles überprüfen. Wenn alles passt, wird der Plan gedruckt und ausgehängt beziehungsweise den Mitarbeitern zugänglich gemacht.

Die Reaktionen

Nun beginnt das Warten auf den Sturm. Es gibt wenig Dinge, die so leidenschaftlich diskutiert werden, wie Dienstpläne. Bei ca. 930 Diensten pro Monat ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass man etwas übersehen oder vergessen hat. Das ist menschlich. Dennoch erwarten die Mitarbeiter natürlich zu Recht, dass man ihre individuellen Vorlieben kennt und, wo möglich, beachtet. Die Illusion, mit einem Plan jeden Mitarbeiter glücklich machen zu können, bleibt leider eine. Aber ab und an schreibt man Pläne, auf die man auch stolz sein darf.

Die erste Woche, nachdem ein Plan aushängt, wird weiter munter gebastelt und geschoben. Die E-Mail-Postfächer von meiner Stellvertretung und mir laufen heiß. Regelmäßig stehen wir Mitarbeitern gegenüber, die einen mit einer Mischung aus Ärger und Vorwurf auf Dinge hinweisen, die ihnen nicht gefallen. Andere Kollegen gehen gleich in die Initiative und tauschen, immer in Rücksprache mit dem Leitungsteam, munter untereinander die Dienste. Da, wo dies nicht geht, unterstützen wir. Ziel ist am Ende, so die Hoffnung, dass jeder zufrieden sein kann.

Am Ende des Tages

Das Thema Dienstplan ist komplex. Viele Befragungen zeigen, dass es den perfekten Plan für jeden nicht gibt. Ist aber die Planung transparent, fair und an den Interessen der Station und des Mitarbeiters ausgerichtet, dann kann Schichtdienst auch viele Vorteile haben. Für mich haben die Wünsche der Mitarbeiter hier Priorität. Als Leitung bin ich auf ihre Unterstützung angewiesen.

Die Erfahrung zeigt: Der Dienstplan bleibt nie so, wie er geschrieben wurde. Erkrankungen und ungeplante Ereignisse zwingen uns fast täglich zu Nachbesserungen. Hier brauche ich meine Mitarbeiter, damit wir gemeinsam unser Ziel erreichen: Eine faire Verteilung der Arbeitsbelastung auf allen Schultern. Es ist ein Geben und Nehmen.

Foto: Fotolia / Monkey Business

Marc Alexander Noll

(Jahrgang 1981) ist Stationsleiter der Internistischen Intensivstation der Asklepios Klinik Barmbek. Er ist verheiratet und hat einen Sohn. Marc hat ein Faible für unnötiges technisches Spielzeug, wie er selbst sagt. Bei Computern und Handys ziehen ihn die neuesten Modelle magisch an. Sport steht täglich auf Marcs Programm. Er geht Joggen, am liebsten im Jenfelder Moor, oft aber auch einfach vor der Haustür. Neuerdings macht er Karate – als Ausgleich und zum Abreagieren. Auch seinen Sohn konnte er für die asiatische Kampfkunst begeistern. Wunderbar abschalten kann Marc auch mit der Gitarre in der Hand. Er spielt in einer Band, mit der er regelmäßig auftritt.


Über Uns

Wir sind Pflege! Denn mit mehr als zwei Millionen Patient:innen sind die Asklepios Kliniken eines der größten Gesundheits-unternehmen in Deutschland. Mehr als 67.000 Mitarbeiter:innen sind rund um die Uhr im Einsatz - ein großer Teil von ihnen als Pflegekräfte.
Auf diesem Blog erzählen einige von ihnen aus ihrem Alltag in einer der bundesweit rund 170 Gesundheitseinrichtungen von Asklepios. Wie sie arbeiten und was sie bewegt, lesen Sie hier.

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