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Wenn es dunkel wird

Autor:

VON NIKLAS ZIEGENRÜCKER

Unfallchirurgie Asklepios Klinik St. Georg. Es wird dunkel und ich beginne meinen Dienst.

21.15 Uhr. Ich bin gerne früher da, um mir in Ruhe einen kleinen Überblick zu verschaffen. Atmosphäre aufnehmen. Nicht zu spät sein. Ich mag Verspätungen nicht.

Seit neuestem ist Nachtdienst allein. Eigentlich 44 Betten auf Station, aber aufgrund einer vorübergehenden Umstrukturierung 21 Betten für eine Patientenlounge. Die Patienten kommen morgens ab 6.30 Uhr zu ihrem Operationstermin und werden post-operativ (also nach der Operation) auf ihre jeweilige Station gebracht. Die „Lounge“ dient also nur zur OP-Vorbereitung.

Ambulante und Elektivaufnahmen, sprich Operationsvorbereitungen von orthopädischen, angiologischen, urologischen, handchirurgischen, unfallchirurgischen und HNO Patienten. Klingt verwirrend. Ist es aber nicht.

Nun sind also noch 23 Betten übrig und dafür eine verantwortungstragende Pflegekraft. Ich beginne den Dienst wie immer mit einem kleinen Rundgang, um den Patienten zu zeigen, wer im Dienst ist. Ein wenig Beruhigung geben. Bis 22 Uhr werden administrative Aufgaben erledigt. Angefangen von Planetten vorbereiten und Tabletten überprüfen bis hin zum Abheften von Befunden und Konsilen.

Die Planetten beinhalten pflegerische Verlaufskurven, Medikationsschema des Patienten sowie ärztliche Anordnungsbögen. Jeweils konzipiert für eine Woche.

Kolossale Zettelwirtschaft. Im 21. Jahrhundert und gerade in der heutigen, ökologisch wie ökonomisch denkenden Welt eigentlich eine ziemlich traurige Angelegenheit. Aber man munkelt, es sei bereits im Umbruch.

22 Uhr

Bei Diabetikern wird jetzt Blutzucker gemessen, gegebenenfalls mit Insulin korrigiert. Um 23 Uhr die nächtlichen Antibiosen angehangen. Die meisten Patienten sind noch wach und gucken TV, lesen oder können einfach nicht schlafen. Was verständlich ist, da ein Krankenhaus alles andere als erholsam ist.

Nach dem einen oder anderen Gespräch über den Tagesverlauf fasse ich die überwiegend aufkommende Kernfrage zusammen: „Gibt es einen Arzt auf Station?“ Meine Antwort lautet kurz wie ehrlich: „Wir suchen auch noch.“ Habe gelernt, Patienten mit Humor am besten beruhigen zu können.

Kurzer Anruf auf der ZNA (Zentralen Notaufnahme) um durchzugeben, dass ein neuer Zugang benötigt wird, weil dieser bei einem Patienten „Para“, sprich an der Vene vorbei gelaufen ist. Zusicherung, dass bald ein neuer gelegt wird, sodass der Patient sein Antibiotikum bekommen kann.

Geisterstunde

Betäubungsmittel für den nächsten Tag sind gestellt. Mehrere Klingeln begangen. Es gibt nicht viele Klingeln diese Nacht.

Alles Administrative ist erledigt. Um mich wach zu halten, wird desinfiziert und aufgeräumt. Ein wenig Sport schadet auch nicht. Liegestützen ( natürlich mit Handschuhen an) und kleine Übungen mit den Hanteln der Physiotherapie. Ein wenig essen und einen Kaffee zwischendurch.

Keine Operationen für den nächsten Tag geplant. Das ist selten, aber kommt vor. Ebenso keine Entlassungen, die ansonsten vorbereitet werden müssten.

1.30 Uhr

Nochmals in der Notaufnahme angerufen und den Zugang für den Patienten gefordert. Zusage wird bekräftigt. Man habe das auf dem Zettel.

3.00 Uhr

Ich gehe nochmals durch die Zimmer. Einerseits Blutzucker messen, andererseits die seichten Bewegungen der Brustkörbe beobachten.

Vitalzeichen bei einem jungen Mann mit Gehirnerschütterung messen. Auf die Frage, ob ich das Fenster schließen könne, entgegne ich ihm ein freundliches Lächeln und frage ihn nach Schmerzen oder Drehschwindel. Er verneint. Hätte er den ganzen Tag schon nicht mehr gehabt und sei vorher ebenfalls nicht so stark gewesen. Ich lächle noch freundlicher und erkläre ihm den Mechanismus des Fensters. Es stellt sich heraus, dass das Exemplar des Fensters dem ähnelt, welches er zuhause hat. Nach kurzem Schweigen ist die Botschaft angekommen. Mürrisch schließt er das Fenster selbst. Zufrieden verlasse ich das Zimmer.

5 Uhr

Mehrere Klingeln wegen Schmerzen oder Kleinigkeiten. Habe alles Wichtige dokumentiert. Man lernt im Laufe der Zeit immer mehr, wie wichtig eine sorgfältige Dokumentation ist. Ich gehe nochmals durch die Zimmer. Alle atmen und die meisten schlafen noch seelenruhig. Ebenfalls stelle ich begeistert fest, dass auch der Öffnungsmechanismus des Fensters dem jungen Mann nicht fremd war. Denn als ich in sein Zimmer komme, ist das Fenster wieder geöffnet. Ich bin so begeistert, dass ich ihn gerne darauf hingewiesen hätte. Aber ich unterdrücke diesen Impuls und wecke ihn nicht.

Bald kommt der Frühdienst. Übergabezettel werden aktualisiert und der schwarze Nektar vorbereitet. Kaffee. Eventuelle Operationen hätten von mir geweckt und vorbereitet werden müssen. Aber wie bereits gesagt, heute keine geplant.

Alles in allem eine ruhige Nacht. Aber dies ist leider nicht immer so.

Foto: Fotolia / sudoku1

 

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Auf diesem Blog erzählen einige von ihnen aus ihrem Alltag in einer der bundesweit rund 170 Gesundheitseinrichtungen von Asklepios. Wie sie arbeiten und was sie bewegt, lesen Sie hier.

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