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Pflege eines Angehörigen – ein Unterschied zum Arbeitsalltag?

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Wie ist das, wenn Oma Pflege braucht?

Täglich pflegen wir Menschen, weil es Teil unseres Berufes ist. Wir teilen ganz intime Momente, sehen gute und schlechte Zeiten, helfen, wo wir nur können. Doch wie ist es, wenn man statt eines Fremden einen Angehörigen pflegt? Pflegt man anders? Verhält man sich anders als im Job? Reagiert man in bestimmten Situationen anders?

Meine Mutter und ich haben diese Erfahrung gemacht, als wir uns um Oma gekümmert haben. Davon möchte ich heute berichten – und dazu habe ich auch meine Mutter befragt.

Plötzlich ist alles anders

Oma ist meine Uroma, ich habe sie aber immer Oma genannt. Sie war bis zu ihrem 81. Geburtstag fit und selbstständig, lebte alleine in ihrer kleinen Wohnung und hatte einen kleinen Garten, um den sie sich mit Liebe kümmerte. Doch einen Tag nach ihrem Geburtstag erlitt sie einen Schlaganfall und war rechtsseitig gelähmt.

Wie hast du dich gefühlt, als die Diagnose gestellt wurde?

MAMA: Im ersten Moment war es ein großer Schock, denn ich wusste, was alles auf mich zukommt. Aber für mich stand von Anfang an fest, dass ich für Oma alles tun würde.

Auch ich war sehr bedrückt. An dem Abend, als ich den Anruf von meiner Mama bekam und sie mir von dem Schlaganfall berichtete, musste ich noch zum Nachtdienst. Ich war in Gedanken nur bei Oma – aber ich musste meinen Dienst zu Ende bringen.

Wie hast du unsere Familie in der Zeit, als Oma im Krankenhaus war, erlebt?

MAMA: Die Familie war sehr in Sorge, aber sie unterstützte, wo sie nur konnte. Für mich war die Zeit sehr stressig, da ich selber Vollzeit bei einem ambulanten Pflegedienst arbeite. Ich habe einfach funktioniert.

Meine Mama und ich arbeiten beide in der Pflege. Wir wissen, was es bedeutet, halbseitig gelähmt zu sein. Für mich war es kein Problem, Oma in den Rollstuhl zu setzen und ihr mal die Haare zu waschen. Ich kann mich aber noch an den Tag erinnern, an dem mein Bruder zum ersten Mal im Krankenhaus war und Oma gesehen hat. Für ihn war es sehr schwer.

Blick nach vorn…

Nachdem Oma im Krankenhaus behandelt wurde, mussten wir überlegen, wie es weitergehen sollte. Der Sozialdienst beriet uns und durch meine Arbeit im Krankenhaus wusste ich auch, welche Möglichkeiten es gab. Zum Beispiel eine geriatrische Reha, wo Oma schließlich nach dem Krankenhausaufenthalt auch hinkam. Sie machte in dieser Zeit große Fortschritte, aber wir merkten, dass sie ein Stück ihres Lebensmuts verloren hatte.

Durch das Handicap, das ihr geblieben war, war es unmöglich geworden, in ihre alte Wohnung zurückzukehren. Deshalb entschieden wir uns für ein betreutes Wohnen mit Pflegedienst. Im Urlaub räumten wir alle zusammen die alte Wohnung aus und bemühten uns, die neue Wohnung ungefähr so wie die alte zu gestalten. Wir strichen die Wände und bauten Möbel auf. Wir wollten es Oma so schön wie in ihrer alten Wohnung machen.

Wie hast du die Zeit des Umzugs erlebt?

MAMA: Ich muss zugeben, dass ich mich in dieser Zeit in einer Zwickmühle befand, da ich selbst mit meiner kleinen Tochter zu einer Mutter-Kind-Kur fahren sollte. Ich war kurz davor, die Kur abzusagen. Aber zum Glück konntest Du einspringen.

Ich habe mir für diese Zeit Urlaub genommen und konnte mich um Omas Wohnung kümmern. Es ist unglaublich, was man alles ummelden muss und an was man alles denken muss. Ich war erschüttert, wie viel Papierkram und Lauferei es ist, wenn man zum Beispiel ein Pflegebett oder einen Toilettenstuhl benötigt.

Pflege Zuhause

Oma wurde täglich von einem Pflegedienst versorgt. Das bedeutete: morgendliche Pflege, Frühstück vorbereiten, Windeln wechseln, in den Rollstuhl heben, abendliche Pflege und Medikamentengabe. Da meine Mama selbst im Pflegedienst arbeitet, weiß sie, wie alles abläuft. Sie kannte sogar die Schwestern.

Ich war geschockt, als ich die erste Rechnung sah… Wahnsinn, wie teuer das alles ist.

Findest du, dass Pflege teuer ist?

MAMA: Bis wir die erste Rechnung bekamen, war alles super. Ich arbeite selbst im ambulanten Dienst, aber wie viel alles kostet, das war mir nicht bewusst. Oma brauchte bei allem Hilfe, deshalb übernahmen wir einen großen Teil selbst. Wenn Oma nicht so eine gute Rente gehabt hätte, wäre es unmöglich gewesen, die ganze Pflege zu zahlen. Ich glaube, dass noch viel getan werden muss, damit Pflege im Alter bezahlbar wird.

Meine Mama hat eine Vollzeitstelle und eine kleine Tochter. Doch egal, ob vor ihrem Dienst, nach Feierabend oder an freien Tagen, sie fuhr immer zu Oma und hat sie selbst gewaschen oder sie in den Rollstuhl gesetzt.

Da ich in Hessen lebe und arbeite, ist es natürlich nicht immer möglich, mal schnell in die alte Heimat nach Sachsen zu fahren… Aber immer, wenn ich Urlaub hatte oder am Wochenende Zuhause war kümmerte ich mich um Oma. Mein Freund half auch mit.

Warum wolltest du selber pflegen? Wie ging es Dir mit der Doppelbelastung?

MAMA: Für mich war es selbstverständlich, Oma zu pflegen. Allerdings muss ich ehrlich gestehen, dass es sehr hart war, da ich dadurch viele Dinge vernachlässigt habe. Ich fühlte mich ständig überfordert und war oft gereizt. Ich muss aber auch gestehen, dass ich manchmal einen harten Ton gegenüber Oma angeschlagen habe, weil ich wollte, dass sie es wieder schafft und auf die Beine kommt. Bei meinen Patienten vom Pflegedienst hätte ich in solchen Situationen nie so gehandelt, wie ich es bei Oma gemacht habe. Andererseits hatte ich immer das Gefühl, dass wir es Oma nicht recht machen konnten. Es war nie genug, was wir taten. Auch deshalb habe ich oft gereizt reagiert.

So eine Doppelbelastung, wie sie meine Mama erlebte, hatte ich natürlich nicht, da ich nur an freien Wochenenden oder im Urlaub nach Hause fahren konnte. Ich kann meine Mama aber verstehen, dass sie gereizt reagiert hat und überfordert war. Mir geht das im Dienst auch manchmal so, dass ich nicht mehr weiß, wo mir der Kopf steht… Ich fand es aber nie schlimm, Oma zu waschen oder auf den Toilettenstuhl zu setzen und die Windel frisch zu machen. Ich fand die Zeit sehr intensiv und ich glaube, meine Oma hat die Zeit auch genossen. Auch wenn sie 1000 Wünsche auf einmal hatte, fand ich das nicht schlimm. Ich habe sie abgearbeitet.

Verschlechterung des Zustands

Meine Mama und ich waren immer in Kontakt darüber, wie es meiner Oma ging.

Als ich einen Anruf bekam, dass bei Oma Gebärmutterhalskrebs diagnostiziert wurde und später auch noch ein Rektumkarzinom (Enddarmkrebs), wusste ich, worauf das hinauslaufen würde. Oma baute nun immer mehr ab, ihr Zustand verschlechterte sich von Tag zu Tag. Sie wollte fast nichts mehr essen, wollte nicht mehr in den Rollstuhl gesetzt werden, sie lehnte die Umlagerung ab und bekam dann auch noch ein Druckgeschwür am Gesäß.

Für uns alle war klar, dass wir Oma nicht in ein Pflegeheim geben wollten. Sie sollte Zuhause sterben dürfen.

Wie hast du die Zeit erlebt, in der Oma sich immer mehr aufgab?

MAMA: Das war für mich die schwerste Zeit, die ich je durchgemacht habe. Ich habe ihr Lieblingsessen zubereitet, habe versucht, alles zu ihrer Zufriedenheit zu machen. Aber jeder Versuch war zwecklos. Ich weiß, dass es nach den Bedürfnissen des Patienten gehen soll, aber bei Oma wollte ich es einfach nicht akzeptieren.

Für mich war es schwer mit anzusehen, dass eine vor gar nicht langer Zeit noch komplett fitte Frau mit einem Mal aus dem Leben gerissen wird. Trotzdem habe ich es akzeptiert. Auf der Arbeit im Krankenhaus war es mir eine Zeit lang sehr schwer gefallen mit anzusehen, wenn ein Patient nichts mehr essen will und die Angehörigen fragen, warum man den Patienten nichts zu essen gibt; oder wenn ein Patient nicht gelagert werden will. Irgendwann kam bei mir aber die Erkenntnis, dass es nicht unbedingt um mich geht, was ich als Krankenschwester möchte. Es geht um die Wünsche des Patienten. Bei meiner Mama wiederum habe ich gesehen, dass sie damit eher Probleme hatte.

Im Krankenhaus bin ich mit der Erkrankung meiner Uroma offen umgegangen. Meine Kollegen konnten es mir zum Glück ermöglichen, dass ich die letzten Tage bei ihr verbringen konnte. Als sich ihr Zustand drastisch verschlechterte, waren meine Mama und ich Tag und Nacht für sie da. Wir sagten die Pflege durch den Pflegedienst ab. Diese letzten Tage waren für meine Mama und mich aber auch für Oma anstrengend, nervenaufreibend und sehr emotional. Wir haben Oma gewaschen, Windeln gewechselt, gelagert, Händchen gehalten und haben nachts bei ihr geschlafen, weil sie so starke Schmerzen hatte. Dennoch brauchten wir auch mal eine Pause.

Wie hast du die letzten Tage empfunden, wie war das für dich?

MAMA: Ich war sehr erschöpft und ausgelaugt. Die letzten Stunden, die wir mit Oma verbrachten, waren sehr emotional und liebevoll. Ich war auch sehr dankbar, dass Du an meiner Seite warst. Wir hatten alles ausgeblendet, für uns zählte nur, wie es Oma geht.

Oma zu pflegen war das Beste, was ich mit meiner Mama machen konnte. Das hat uns weiter zusammengeschweißt. Ich habe auch die Nähe zu Oma genossen.

Pflege professionell und privat

Hast du Unterschiede zum Arbeitsalltag gesehen?

MAMA: Im Großen und Ganzen nicht. Die Pflege ist die gleiche. Aber der Umgang ist anders. Im Job kann ich es leichter akzeptieren, wenn der Patient zum Beispiel nichts mehr essen möchte. Aber als Angehörige fiel mir das sehr schwer.

Ganz gleich, ob ich in der Pflege arbeite oder einen lieben Verwandten pflege, das Wichtigste ist, auf den Patienten einzugehen. Ich muss akzeptieren, dass der Patient immer im Vordergrund steht – und nicht die Wünsche der Angehörigen. In meiner Arbeit habe ich einen gewissen Abstand zum Patienten, das macht es einfacher. Aber in der Familie ist das anders: Da muss ich viel und offen darüber sprechen. Außerdem habe ich bei der Pflege von Angehörigen nicht den Zeitdruck, den man auf der Arbeit hat. Das erleichtert natürlich so einiges. Nach der Erfahrung mit Oma bin ich mir sicher: Ich würde jederzeit wieder die Pflege eines Angehörigen übernehmen!

Foto: Stephanie Häder

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Wir sind Pflege! Denn mit mehr als zwei Millionen Patient:innen sind die Asklepios Kliniken eines der größten Gesundheits-unternehmen in Deutschland. Mehr als 67.000 Mitarbeiter:innen sind rund um die Uhr im Einsatz - ein großer Teil von ihnen als Pflegekräfte.
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