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Flüchtlinge im Krankenhaus: Schwierige Verständigung

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Jeder, der mit offenen Augen durchs Leben geht, kommt nicht um die Frage nach der eigenen Meinung zur Flüchtlingspolitik herum. Menschenoffen wurde ich erzogen. Meine Mutter war immer mit dabei, wenn es um die Pflege von Kontakten zu allen Nachbarn ging. Multikulturell war das Viertel, in dem ich aufgewachsen bin.

Multikulturell ist auch die Pflege – wie das Arbeiten in allen sozialen Berufen. Aber was bedeutet multikulturelle Pflege im Klinikalltag? Zunächst wird in sozialen Berufen von transkulturell statt multikulturell gesprochen. Während mit multikulturell die Vielfalt der Kulturen gemeint ist, meint transkulturelle Pflege die Bemühung, zwischen den Kulturen eine gute Verbindung herzustellen. Es gibt zahlreiche Veröffentlichungen, die dabei unterstützen sollen, Vorurteile abzulegen und fair zu bleiben.

Konflikte besprechen

Aber warum denn überhaupt dieses besondere Augenmerk? Erkrankungsursachen und deren Behandlung sind doch nicht anders als bei Deutschen auch, oder? Mag sein. Aber die Pflege kranker Menschen ist in erster Linie auch ein kommunikativer Beruf. Sprechen Patienten mit ausländischen Wurzeln deutsch, kann man über Konflikte reden und eine Lösung finden.

So ist es eine immer wiederkehrende Diskussion in der Pflege, wie viele Besucher ein Mehrbettzimmer betreten dürfen. In südlichen Kulturkreisen ist der Zusammenhalt in den Familien ein anderer als wir ihn kennen. Es kommt mehr Besuch auf einmal und meist geht es viel lebendiger zu. Krankheit scheint nicht so im Stillen abzulaufen wie bei Nordeuropäern, die sich durch viele Besucher eher gestresst fühlen.

Flüchtlinge in der Psychiatrie

Ein riesiges Problem für die Pflege ist es hingegen, wenn Patienten und Angehörige kein Deutsch sprechen. Das kommt durch die aktuelle Einwanderungssituation im Klinik-Alltag immer häufiger vor. In der Somatik, also dort, wo körperliche Erkrankungen behandelt werden, genauso wie in der Psychiatrie.

Auf meiner Station werden junge Erwachsene behandelt, die entweder unter einer Persönlichkeitsstörung leiden oder ein psychisches Trauma erlitten haben. Während Persönlichkeitsstörungen durch Probleme in der Kleinkindzeit entstehen, kann eine sogenannte Traumafolgestörung auch später seine Ursache haben. Zum Beispiel führt die Belastung einer Flucht dazu.

Und wenn die Verständigung nicht klappt?

Seit letztem Jahr kommen immer öfter junge Männer und Frauen zu uns, die mit den Erfahrungen auf ihrer Flucht nicht zurechtkommen und psychische Symptome entwickeln. Die meisten sprechen kein Deutsch und kaum Englisch. Das Personal in der Pflege als erster Ansprechpartner ist auf Gestik, Mimik und schriftliche Übersetzungshilfen angewiesen. Da steht dann auf einem Schild beispielsweise in mehreren Sprachen der Satz: „Ich habe Schmerzen!“. Aber viele Flüchtling können auch nicht lesen oder die vorhandenen Sätze der Übersetzungshilfe reichen nicht aus.

Für geplante Einzelgespräche mit Therapeuten und Personal der Pflege können wir Dolmetscher beauftragen. Momentan sind diese aber sehr gefragt und haben oft nicht sofort Zeit. Der Austausch findet gedrängt in einer Stunde pro Woche statt. Bei unserer letzten Patientin war die Angst aber abends und nachts am größten. Ihr Glück war, dass zu der Zeit auch ein Patient bei uns behandelt wurde, der neben Deutsch auch ihre Sprache sprach. Er hat viel übersetzt. Aber ich hatte dabei immer ein ungutes Gefühl, denn er hatte ja eigentlich seine eigenen Probleme.

Mein Wunsch: Ein nächtliches Notfalltelefon

Die aktuelle Situation könnte sich noch verschärfen, denn viele Menschen holen sich erst dann Hilfe, wenn sie zur Ruhe kommen. Dann kommt die innere Belastung hoch. Ich hoffe, dass an den verantwortlichen Stellen über mögliche Lösungen nachgedacht wird. Wie wäre es mit einer 24-Stunden-Hotline, bei der ich nachts anrufen kann, um für Gespräche mit meinen Patienten einen Dolmetscher zu bekommen? Der könnte über die Lautsprecherfunktion des Telefons zugeschaltet werden, und ich könnte meinen Patienten in nächtlichen Krisen beistehen.

Foto: Katharina Voß

Katharina Voß

(Jahrgang 1983) ) ist seit 2016 Berufspädagogin im Bildungszentrum für Gesundheitsberufe der Asklepios Kliniken Hamburg. Davor hat sie als Stationsleitung in der Klinik für Persönlichkeits- und Traumafolgestörungen der Asklepios Klinik Nord gearbeitet. Sie lebt mit ihrem Sohn in Hamburg. Katharinas Leidenschaft ist der Sport. Mehrmals pro Woche trainiert sie, fährt mit dem Rennrad zur Arbeit oder läuft durch die Hamburger Naherholungsgebiete. Am liebsten läuft Katharina an den Elbhängen in Rissen und Blankenese oder am nördlichen Alsterlauf. Doch auch auf der Tartanbahn fühlt sie sich wohl. Beim Sport kann Katharina die Anstrengungen der Arbeit hinter sich lassen und abschalten.


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    Wir sind Pflege! Denn mit mehr als zwei Millionen Patient:innen sind die Asklepios Kliniken eines der größten Gesundheits-unternehmen in Deutschland. Mehr als 67.000 Mitarbeiter:innen sind rund um die Uhr im Einsatz - ein großer Teil von ihnen als Pflegekräfte.
    Auf diesem Blog erzählen einige von ihnen aus ihrem Alltag in einer der bundesweit rund 170 Gesundheitseinrichtungen von Asklepios. Wie sie arbeiten und was sie bewegt, lesen Sie hier.

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