Ich gebe zu, der Titel klingt sehr nach Eltern-Kind-Gespräch. Aber das täuscht. Denn das ist meine Erkenntnis, nein, meine Erfahrung nach fast 15 Jahren im Beruf. Bei der Berufswahl habe ich mir keine Gedanken darüber gemacht, ob mir die Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin im Alltag nutzen wird. Jetzt bin ich froh um den Nutzen, von dem nicht nur ich, sondern auch mein privates Umfeld profitiert. Allerdings nicht so, wie ich erwartet hatte …
Der Erste-Hilfe-Kasten zu Hause
Meine Hausapotheke sieht kaum anders aus als bei meinen Eltern oder Freunden, die nicht im Pflegeberuf arbeiten. Erstens halte ich nicht viel von Selbstmedikation und zweitens bin ich als Gesundheits- und Krankenpflegekraft genauso an Verschreibungspflicht und Apotheken gebunden wie alle anderen auch. Nur mit einem Dr. med. dürfte ich auch privat in der Apotheke verschreibungspflichtige Medikamente „einkaufen“.
Selbst Patientin sein
In diesem Fall sieht das Ganze schon anders aus. Wenn ich selbst zu Ärzten muss, teile ich meistens mit, was ich beruflich mache. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich dann mit mehr Offenheit behandelt werde. Das Niveau der fachlichen Erklärungen ist höher, da ich mehr von Fachbegriffen verstehe als Laien. Jüngstes Beispiel: Ich bin gerade wegen orthopädischer Probleme in physiotherapeutischer Behandlung. Der Therapeut nennt alle Muskeln und Sehnen beim lateinischen Namen und erklärt mir die Zusammenhänge der Beschwerden sehr genau. Allerdings werde ich auch mehr selbst in die Pflicht genommen. Ich tue mich schwer, meinen verletzten Fuß zu schonen. Als Laie wären mir die Folgen geduldig erklärt worden. Ich aber erhalte einen respektvollen, aber strengen Blick und den Hinweis auf mein eigenes Wissen um die Gefahren.
Wenn ich um Rat gefragt werde
Meinen alten VW-Bus hat sich vor der TÜV-Abnahme immer ein befreundeter Kfz-Mechaniker angeguckt. Habe ich was zu transportieren, macht das mein Vater mit seinem Dienstlaster. Eine Hand wäscht die andere. Aber was kann ich geben? Meinen Nachbarn habe ich nach seiner Hüft-OP, die keine Besserung brachte, an das medizinische Versorgungszentrum unserer Klinik vermittelt. Die andere Klinik hatte nichts verkehrt gemacht, aber das Vertrauen war weg. Meinem Sohn konnte ich einen Aufenthalt in der Notaufnahme ersparen, als er einen Asthmaanfall hatte, der unangenehm war, aber mit Atemübungen besser wurde. Sein Vater allein hätte ihm ohne mein Fachwissen nicht weiterhelfen können. Bitten um eine erste Diagnoseeinschätzung im Freundeskreis sind auch recht häufig. Am meisten kann ich aber bei ganz anderen Fragen weiterhelfen.
Die Psychiatrie mit nach Hause genommen
Die acht Jahre meiner Tätigkeit in einer psychiatrischen Abteilung für Menschen mit Persönlichkeitsstörungen haben Spuren hinterlassen. Im Scherz sage ich gern: Ich habe nebenbei das Wissen eines Psychologiestudiums und die Erfahrung einer Psychotherapie gleich mitgenommen. Ein guter Bekannter, den ich ein paar Mal im Jahr sehe, erzählt mir bei den Gelegenheiten viel von Menschen aus seinem Umfeld, bei denen er psychische Probleme vermutet und holt sich Rat zum Umgang. Eine Freundin hat sich von mir bei der Suche nach einem Therapieplatz in der Psychiatrie helfen lassen. Ich kenne das Prozedere und den Ruf vieler Kliniken.
Aber auch im alltäglichen Umgang merke ich, wie sehr mich die Arbeit positiv beeinflusst hat. Ich bin aufmerksamer geworden, was die Befindlichkeiten meiner Mitmenschen betrifft – und das liegt nicht nur an meiner altersbedingten Zunahme an Lebenserfahrung. Das war früher nicht so sehr meine Stärke. Was mich daran besonders freut: Mein Sohn hat davon etwas abbekommen. Er gehört eher zu den schweigsameren Menschen, versuchte aber schon in der Grundschule, das Verhalten auffälliger Mitschüler zu verstehen und hat mit mir darüber gesprochen. Ich habe also nicht nur etwas für mich mitgenommen, sondern auch schon weitergegeben.
Foto: Katharina Voß