Ich habe schon einmal in diesem Blog berichtet, dass ich Unterricht bei unseren Auszubildenden gegeben habe. Zwei Jahre ist es her und ich habe die Herausforderung damals gerne angenommen. Nun ist das Bildungszentrum (BZG) erneut an mich herangetreten. Dieses Mal mit einer neuen Herausforderung. Für die Kolleg:innen, die ihre Fachweiterbildung in der Notfallpflege absolvieren, suchte man jemanden, der im März die Kindernotfallpflege unterrichtet. Also ein Unterricht auf Augenhöhe, denn meine Zuhörer:innen würden alle ausgebildete Krankenschwestern und Pfleger und schon lange in einer Zentralen Notaufnahme beschäftigt sein. Diese Herausforderung galt es anzunehmen.
Einen spannenden Unterricht auf Augenhöhe gestalten
Zwei Nächte nachgedacht, zugesagt und ab ging es an den Schreibtisch. Die Unterrichtsthemen habe ich vorgeschrieben bekommen, da diese auch mit in die Prüfung eingebunden werden. Von Besonderheiten (anatomisch-physiologisch, Notfalltechniken und Ausrüstung bei Kindernotfällen, Schmerzassessment, ausgewählte pädiatrische Erkrankungen, Kommunikation mit Kindern und deren Bezugspersonen) bis zum Kinderschutz war alles dabei und drei Tage galt es zu füllen.
Für mich stellten sich zwei Fragen: Werde ich dem allen gerecht? Wie gestalte ich den Unterricht spannend, so dass es nicht langweilig wird? Ein Kinderarzt, mit dem ich schon sehr oft an den Wochenenden im Kassenärztlichen Notdienst zusammengearbeitet habe, stand mir mit Rat und Tat zur Seite. Und für die Spannung habe ich mir für jeden Lehrgangstag eine „Challenge“ zurechtgelegt.
Der erste Unterrichtstag mit Dr. Google
Und dann am 21.03.2022 der erste Tag von dreien. An Schlaf in der Nacht war nicht zu denken, denn die Aufregung und Nervosität meldeten sich pünktlich. Mein Motto dagegen: cool bleiben. 15 Teilnehmer:innen aus Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern schauten mich erwartungsvoll an. Beamer und Präsentation an und los ging es. Als allererstes den wichtigsten Fakt geklärt: Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, haben ihre eigenen Grundbedürfnisse. Die physiologisch-anatomischen Unterschiede habe ich gleich in eine Challenge verpackt: Drei Arbeitsgruppen haben sich gebildet, um den Unterschied zwischen Erwachsenen und Kindern in der Pflege, bei Diagnosen und anatomisch-physiologisch auszuarbeiten. Bei dem Lösungsweg der Aufgaben musste ich dann doch ein wenig schmunzeln. Ja, es wurde auch eigenständig nachgedacht, aber es wurde auch emsig gegoogelt. Sehr clever. Man muss nur wissen, wo es steht. Und noch einmal brachten mich meine Teilnehmer:innen an diesem Tag zum Staunen. Bei den Themen Notfall-Schutzausrüstung und Massenanfall von Verletzten (MANV) habe ich den Song von Bob Geldof „I don`t like Mondays“ abgespielt. Viele wissen nicht, wovon der Song eigentlich handelt, aber nicht bei meinen Zuhörer:innen. Hier wusste über die Hälfte, dass es sich um einen Amoklauf in einer Schule handelt. Nach meiner Erläuterung war auch jedem klar, warum ich diesen Song zu den speziellen Themen eingebaut habe.
Bastelstunde mit Marshmallow und Spaghetti
Der zweite Unterrichtstag kam, die Nervosität war etwas geringer. Ich habe die typischen Kindererkrankungen und Notfälle besprochen und mit viel Bildmaterial gezeigt. Mit dem Thema Kommunikation gab es dann die nächste Gruppenarbeit. Innerhalb von zehn Minuten sollten die drei Gruppen aus 15 Spaghetti und ein paar Klebestreifen einen Turm bauen, der einen Marshmallow fünf Sekunden lang hält. Gelöste Stimmung, tolle Teamarbeit und die Erkenntnis, wie zerbrechlich doch unsere Kinder und deren Bezugspersonen in Ausnahmesituationen sein können. Aber auch gleichzeitig stark, denn bei allen hat das Gerüst gehalten.
Zucker simuliert eine heiße Herdplatte
Der dritte Unterrichtstag war ganz im Zeichen des Kinderschutzes. Hier konnte ich viele Grundlagen und viel Wissen aus meiner Fachweiterbildung bereithalten. Diese Qualifikation zur „Insoweit erfahrenen Kinderschutzfachkraft“ (InsoFA) durfte ich dank Asklepios im März 2021 absolvieren. In meinem Unterricht ging es auch nicht direkt ums Lernen, sondern um das offene Gespräch zu diesem wichtigen Thema. Erfahrungen, Sorgen und Ängste standen hier auf der Tagesordnung und es wurde gut angenommen.
Diesmal gab es keine Challenge, sondern ein Experiment: Wir haben Zucker auf eine Fläche gestreut, um damit eine heiße Herdplatte zu simulieren. Die Hand einmal kurz auflegen lassen, um danach die Innenhand zu beurteilen. Wieviel Zucker befindet sich auf der Innenhand? Ein paar Krümel am Daumenballen und viele Zuckerkrümel an den Fingerkuppen. Das ganze dann noch einmal, aber dieses Mal drückt jemand die Hand längere Zeit in den Zucker. Dann die Innenhand beurteilen. Jetzt ist die ganze Hand mit Innenfläche mit vielen Zuckerkrümeln benetzt. Entsetztes Staunen, denn im Hintergrund mussten die Teilnehmer:innen immer daran denken, dass es nur in der Simulation Zucker war und in Wirklichkeit eine heiße Herdplatte sein könnte. So wurde klar, was bei einer Misshandlung passieren kann. Man sieht genau das Muster der Verletzung und den Unterschied, ob ein Kind nur versehentlich auf die heiße Herdplatte gefasst hat oder, ob die Hand absichtlich von jemanden auf die Platte gedrückt wurde.
Drei erfolgreiche Tage
Es waren drei intensive Tage auf Augenhöhe mit den Teilnehmer:innen. Einige sind auch nach den drei Tagen schon auf mich zugekommen oder haben mir eine Mail geschrieben und sich für den Unterricht bedankt. Ich habe mich gefreut, denn dann kann es so schlecht nicht gewesen sein, wie man sich selbst immer einredet. Eine Rückmeldung von der Kursleitung bekomme ich noch. Aber mir hat es Spaß gemacht.
Fotos: Fotolia / Monkey Business, Christiane Langhals