Suchen Sie nach etwas?

Ebrahims Weg zu uns ins Pflegeteam

Autor:
Stefanie Ludwig und Ebrahim vor einer Weltkarte im Asklepios Willkommenszentrum Hamburg

Wie fühlt es sich an, in einem neuen Land ganz von vorne anzufangen? Ebrahim kam 2019 aus dem Iran nach Hamburg, um als Pflegekraft bei Asklepios Fuß zu fassen. Was ihn durch die anfangs unsichere Zeit getragen hat, warum ehrliche Kommunikation so wichtig ist und wie er heute anderen internationalen Kolleg:innen zur Seite steht, erfährst du in diesem Beitrag.

Seit 2020 leite ich das Asklepios Willkommenszentrum Hamburg (AWH) mit Sitz in der Asklepios Klinik Nord. Inzwischen unterstützt mich ein 15-köpfiges Team mit multikulturellem und multiprofessionellem Hintergrund. In der Anfangsphase 2019 war ich aber noch ganz allein als Integrationsbeauftragte für das Onboarding und die Integration der internationalen Pflegekräfte in der Asklepios Klinik Nord zuständig.

Wie wichtig eine feste Ansprechperson im Integrationsprozess ist, möchte ich am Beispiel eines Kollegen aus dem Iran zeigen, der seit zwei Jahren mein Team als Hauptamtlicher Praxisanleiter (HPA) verstärkt.

Die ersten Schritte in Hamburg

Ebrahim gehörte 2019 zu den ersten internationalen Kolleg:innen, die ihre Anerkennung in der Asklepios Klinik Nord absolvierten. Zu dieser Zeit gab es auch seitens der Behörden noch viele Unsicherheiten bezüglich des Anerkennungsprozesses.

So erhielt Ebrahim von der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) die Auskunft, dass sein im Iran erworbenes B2-Zertifikat in Deutschland nicht anerkannt würde. Und das, obwohl es sogar vom Goethe-Institut stammte! Diese Auskunft war schlicht falsch. Ebrahim wiederholte die Prüfung in Hamburg und bestand sie zum Glück auf Anhieb.

Ebrahim reiste damals mit einem sogenannten Job-Seeker-Visum ein. Damit hatte er die Möglichkeit, zunächst nach Deutschland zu kommen und sich hier einen Job zu suchen. Sein Schwager lebte bereits in Hamburg. Der Kontakt zur Asklepios Klinik Nord kam über eine Mitarbeiterin der Klinik zustande.

Er begann im Oktober 2019 seinen Anerkennungsprozess mit einer Anpassungsqualifizierung am Asklepios Bildungszentrum für Gesundheitsberufe (BZG) in Hamburg, die unproblematisch funktionierte.

Das lange Warten auf den Familiennachzug

Privat lief es leider nicht so gut: Ebrahim hatte von den Behörden die Information erhalten, dass der Nachzug seiner Frau und seiner Tochter nach Deutschland nach sechs Monaten möglich sei. Da auch mir die Prozesse im Detail noch nicht so gut bekannt waren, stellten wir den Antrag auf Familiennachzug zu früh. Für den Familiennachzug sind die Vorlage der Berufsurkunde und ein elektronischer Aufenthaltstitel nach § 18a Aufenthaltsgesetz zwingend notwendig, die aber noch nicht vorlagen.

Für Ebrahim bedeutete das, dass er seine Frau und seine Tochter nicht wie geplant schon nach wenigen Monaten wieder in die Arme schließen konnte. Das stürzte ihn in ein tiefes Loch, da er sich seiner Familie gegenüber schuldig fühlte. Er hatte ihnen schließlich eine schnelle Einreise nach Deutschland versprochen.

Zudem verweigerte seine Tochter in den täglichen Videocalls zunehmend den Kontakt und wollte nicht mit ihm sprechen. Die Corona-Pandemie verzögerte die Einreise schließlich noch weiter.

Die Belastung war so groß, dass er ein Ultimatum stellte. Wenn seine Familie bis zum Tag X nicht in Deutschland sei, würde er kündigen und in den Iran zurückkehren. In dieser Zeit sprach ich fast täglich mit ihm und beschwor ihn, seine Anerkennung nicht zu verschenken.

Gleichzeitig setzte ich alle Hebel in Bewegung, um auch bei der Botschaft den Prozess zu beschleunigen. Wie sich später herausstellte, hatte es dort auch Unstimmigkeiten in den internen Prozessen gegeben. Aufgrund dieser Fehler und der Corona-Pandemie dauerte es insgesamt eineinhalb Jahre bis die Familie in Deutschland ankam.

Wichtig: Ehrlich sein statt falsche Hoffnungen wecken

Hätte Ebrahim von Anfang an gewusst, wie lange er warten muss, wäre ihm die Wartezeit sehr viel leichter gefallen. Dies macht deutlich, wie wichtig transparente Informationen für internationale Pflegekräfte sind. Mein wichtigstes Learning: Leere Versprechungen oder das Beschönigen der Umstände führen zu Enttäuschung, Vertrauensverlust und im schlimmsten Fall zur Kündigung.

Daher erkläre ich in den Vorstellungsgesprächen heute sehr genau die Abläufe des Familiennachzugs, nenne die Zeiträume und die Bedingungen, unter denen die Familie nach Deutschland kommen kann. Dabei verschweige ich auch nicht die Schwierigkeiten, mit denen die Pflegekräfte konfrontiert sind, wenn sie drei oder mehr Kinder in der Heimat zurücklassen müssen.

Doch auch die lang ersehnte Ankunft von Ebrahims Familie in Deutschland war nicht so leicht wie erhofft. Seine Ehefrau sprach anfangs kein Deutsch und konnte daher ihren Beruf nicht ausüben. Sprachkurse fanden aufgrund von Corona nur online statt. Dies führte zu einer depressiven Verstimmung, die erst im Präsenzunterricht besser wurde. Der nächste Dämpfer folgte: Trotz bestandener B2-Prüfung fand sie keinen Job.

Ihre damals achtjährige Tochter integrierte sich dagegen schnell. Sie lernte in kürzester Zeit Deutsch und wechselte nach nur einem Jahr in Deutschland nach der 4. Klasse auf das Gymnasium, wo sie sich bis heute wohlfühlt.

Der Führerschein half dabei, sich zu Hause zu fühlen

Neben der Einreise seiner Frau und Tochter beschreibt Ebrahim die erfolgreich bestandene Führerscheinprüfung als einen Meilenstein für seine Integration in Deutschland. Auto fahren und sich ein Auto kaufen zu können, gab ihm das Gefühl, in Deutschland angekommen zu sein.

Generell war bei Ebrahim anfangs auch die Unsicherheit bezüglich seines Visums groß. Durch fehlende oder fehlerhafte Informationen der Behörden zu Aufenthalt, Wohnungsanmeldung etc. entstand insgesamt ein unnötig hoher Stress.

Dabei war es entscheidend, umfassend und transparent über Behördenprozesse und das Leben in Deutschland zu informieren. Dies habe ich als Integrationsbeauftragte mit wöchentlichen Infotreffen getan, in denen die Pflegekräfte auch Fragen stellen konnten. Natürlich habe ich sie auch aktiv über Änderungen in und außerhalb der Klinik informiert.

Praxisanleitung damals und heute

Beruflich konnte ich damals mehr Einfluss nehmen. Da die Zahl der internationalen Fachkräfte 2019/2020 noch überschaubar war, war es leichter, Gespräche „auf dem kurzen Dienstweg“ zu führen und Lösungen zu finden. Dennoch war die Situation eine ganz andere als heute: Ebrahim hatte bis kurz vor seiner Anerkennungsprüfung lediglich zwei Praxisanleitungen durch die Abteilung Ausbildung erhalten.

Dann erhielt ich Unterstützung durch einen Kollegen, der auch als Praxisanleiter tätig war und somit den praktischen Teil der Anerkennung systematisch und regelmäßig betreuen konnte. Heute kümmern sich in meinem Team acht Praxisanleiter:innen um die Praxisanleitungen unserer jährlich ca. 150 Pflegekräfte in Anerkennung.

Ursprünglich wollte Ebrahim nach der Prüfung in die Zentrale Notaufnahme (ZNA) oder auf die Intensivstation wechseln, da er im Iran bereits Erfahrungen in diesen Bereichen gesammelt hatte. Doch auch hier zeigte sich der Wert einer guten Zusammenarbeit: Er entschied sich schließlich, auf der Station zu bleiben, da das Team ihn so gut aufgenommen und unterstützt hatte.

Ebrahims Weg in unser Team

Auch nach der Anerkennung blieb mein Kontakt zu Ebrahim eng. So erfuhr ich auch, dass Ebrahim die Weiterbildung zum Praxisanleiter erfolgreich absolviert hat. Als im Asklepios Willkommenszentrum Hamburg eine Stelle frei wurde, war es nur logisch, dass Ebrahim als Praxisanleiter in mein Team wechselte. Heute steht er den internationalen Pflegekräften fachlich und oft auch persönlich zur Seite. Seine eigenen Erfahrungen mit Migration und Integration in Deutschland machen ihn besonders glaubwürdig.

Ebrahim ist inzwischen in Deutschland komplett angekommen. Seine familiäre Situation ist gut, auch seine Frau hat einen guten Job gefunden. Mit der Arbeit ist er mehr als zufrieden, und sogar die Bürokratie in Deutschland sieht er eher positiv. Schließlich sorgen strukturierte Prozesse dafür, dass alle Antragsteller:innen gleichbehandelt werden. Und auch wenn manche Vorgänge länger dauern, gibt es doch immer die Sicherheit, dass sie auf jeden Fall bearbeitet werden.

Der Wunsch nach Verbesserung

Zwei Wünsche gibt es aber doch: Die ärztliche Versorgung, speziell die Vergabe von Terminen bei Fachärztinnen und Fachärzten, könnte besser organisiert sein. Zudem wäre eine Förderung von günstigem Wohnraum wünschenswert.

Würde Ebrahim den Schritt noch einmal gehen? Seine Antwort: „Wenn ich einen Tag früher nach Deutschland gekommen wäre, hätte ich einen Tag mehr gelebt.“

Foto: Asklepios

Schreibe einen Kommentar

Über Uns

Wir sind Pflege! Denn mit mehr als zwei Millionen Patient:innen sind die Asklepios Kliniken eines der größten Gesundheits-unternehmen in Deutschland. Mehr als 67.000 Mitarbeiter:innen sind rund um die Uhr im Einsatz - ein großer Teil von ihnen als Pflegekräfte.
Auf diesem Blog erzählen einige von ihnen aus ihrem Alltag in einer der bundesweit rund 170 Gesundheitseinrichtungen von Asklepios. Wie sie arbeiten und was sie bewegt, lesen Sie hier.

Letzte Beiträge

Stefanie Ludwig und Ebrahim vor einer Weltkarte im Asklepios Willkommenszentrum Hamburg Ebrahims Weg zu uns ins Pflegeteam

Wie fühlt es sich an, in einem neuen Land ganz von vorne anzufangen? Ebrahim kam 2019 aus dem Iran ...

Blog via E-Mail abonnieren

Gib Deine E-Mail-Adresse an, um diesen Blog zu abonnieren und Benachrichtigungen über neue Beiträge via E-Mail zu erhalten.