VON LAURA BÖTTCHER
Prüfungen und praktische Anleitungen während der Ausbildung sind nervenaufreibend, das kennt sicher jeder Azubi. Doch wie sieht die ganze Sache eigentlich aus der anderen Perspektive, nämlich aus der des Praxisanleiters, aus? Damit Ihr Euch davon ein Bild machen könnt, habe ich die Praxisanleiterin auf meiner Station kurz interviewt.
Aber zuerst möchte ich Euch meine Kollegin einmal vorstellen: Ihr Name ist Susanne, sie ist 36 Jahre alt und arbeitet seit 17 Jahren als Gesundheits- und Krankenpflegerin. 14 Jahre davon widmet sie sich nun schon der Psychiatrie im Fachbereich Suchterkrankungen. Seit fünf Jahren ist sie als Praxisanleiterin tätig und nimmt neben Anleitungen, also die Überprüfung der praktischen Pflegekenntnisse, auch den praktischen Teil der Examensprüfungen ab.
Kannst Du kurz erklären, was die Aufgaben eines Praxisanleiters sind?
Susanne: Als Praxisanleiterin bin ich Ansprechpartnerin für die Schüler bei ihrer Arbeit auf der Station. Ich beurteile auch den Lernstand der Schüler. Das wird dann aufgegriffen und darauf aufgebaut. Ich begleite Pflegemaßnahmen, beobachte und benote auch. Wichtig ist mir immer das Lob, das sollte nicht vergessen werden. Aber natürlich ist auch Kritik angesagt, wenn es nötig ist. Dazu gehört für mich, dass ich den Schülern sage, wie sie sich verbessern können. Für mich lautet das oberste Gebot: Immer empathisch bleiben. Denn jeder ist anders, und wir haben alle mal gelernt.
Welche Hinweise kannst du einem Schüler zur Examensprüfung mitgeben?
Susanne: Kommunikation ist sehr wichtig. Pflegekräfte sollten ihre Tätigkeiten dem Patienten so gut es geht erklären – umso weniger Fragen tauchen bei den Prüfern auf. Außerdem sollte man immer versuchen, Patientenwünsche zu beachten und möglichst im Sinne des Patienten zu handeln. Wichtig ist auch, die Zeit im Hinterkopf zu behalten. Wann kommt die Körperpflege und wann richte ich die Medikamente? Ein gutes Timing und eine gute Planung machen viel aus im Ablauf.
Was war das Lustigste, was Du jemals in einer Prüfung erlebt hast?
Susanne: In einer praktischen Examensprüfung hatte ich gegen Ende der Prüfung plötzlich Nasenbluten. Natürlich durfte man meine Notizen, sechs vorn und hinten mühevoll beschriebene Seiten, die ich mir gemacht hatte, nicht einfach wegwerfen – und so wurden sie auch blutig, wie sie waren, weiterverwendet und schließlich archiviert.
Was war das Krasseste, was du in einer Prüfung erlebt hast?
Susanne: Natürlich sind die Schüler während der Prüfung sehr aufgeregt. Ab und zu gibt es dann Momente in der Prüfung, in denen sich beide Prüfer ansehen und denken: „Hat er/sie das jetzt wirklich getan?!“ So wurden bei der Körperpflege eines Patienten vom Prüfling völlig korrekt Einmalhandschuhe angezogen, um gründlich das Gesäß und die Gesäßfalte zu reinigen. Als dies vollbracht war, wurde mit den gleichen Handschuhen spontan die auf dem Waschbecken abgelegte Zahnprothese gegriffen, mit Wasser abgespült und in den Mund des Patienten gesteckt.
Der Blick beider Prüfer in dieser Situation – unbezahlbar.
Welche sind aus Deiner Erfahrung heraus die häufigsten Fehler, die in der praktischen Prüfung vorkommen?
Susanne: Oft werden die anderen Patienten im Prüfungszimmer ignoriert, da Prüflinge sich häufig auf ihren Hauptpatienten in der Prüfung konzentrieren. Deshalb mein Tipp: Versuchen, den Rundumblick im Zimmer zu haben, denn auch Mitpatienten dürfen nach Ihrem Befinden befragt werden. Am häufigsten fallen Schüler aber aufgrund von Fehlern beim Richten von Medikamenten durch. Die 6-R-Regeln werden dabei nicht beachtet. Natürlich kommen oft kleine Ungenauigkeiten etwa bei den Hygienemaßnahmen vor. Dies bedeutet aber nicht unbedingt, dass man bei jedem kleinen Fehler gleich durchfällt.
Hast du Tipps gegen die Aufregung in Prüfungs- und Anleitungssituationen?
Susanne: Schüler sollten in solchen Situationen nie vergessen, dass auch Prüfer und Praxisanleiter nur Menschen sind, die auch irgendwann mal in solchen Situationen waren und gelernt haben. Außerdem gehen Prüfungen und Anleitungen vorbei und sind sozusagen nur ein Bruchteil vom Leben. Also keine Panik! Später schmunzelt man darüber…
Foto: Laura Böttcher