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„Warum wurde meine Mutter noch nicht geduscht?“

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Nach meinem Examen 2018 ist mir die Entscheidung, in welchen Fachbereich ich gerne gehen möchte, schwergefallen. Nach einer Hospitation in der Asklepios Klinik gefiel mir die Arbeit auf der Privita Station sehr gut, weshalb ich mich dort beworben habe. Die Privita Station betreut ausschließlich Privatpatienten mit einer Chefarzt-Versicherung, die in Ein- oder Zweibettzimmern untergebracht werden.

Neben dem guten Miteinander im Team waren für mich unter anderem die fünf verschiedenen Fachbereiche auf dieser Station ausschlaggebender Grund, dort zu arbeiten und weitere Erfahrungen für meine berufliche Zukunft zu sammeln. Zu den Fachbereichen zählen der internistische, geriatrische, unfallchirurgische, allgemeinchirurgische und neurochirurgische Bereich. Ich finde es als Einstieg in die Pflege nach der Ausbildung besonders gut, dass ich mich nicht auf einen speziellen Bereich festlegen muss. Die sehr vielfältigen Krankheitsbilder der Patienten und die verschiedenen Aufgaben auf dieser Station bringen täglich jede Menge Abwechslung: Es wird nie langweilig, von Zimmer zu Zimmer begegnet mir eine neue Herausforderung. In dem einen Zimmer ist es der Patient, der in fünf Minuten in den OP eingeschleust wird und im anderen Zimmer liegt ein Herzkranker.

Ein fester Bestandteil unserer täglichen Arbeit sind die Chefarztvisiten, die immer vom Pflegepersonal begleitet werden müssen. Ein großer Vorteil dieser Visiten ist es, dass wir in der Pflege auf diesem Weg direkt wichtige Informationen zur Behandlung des Patienten erhalten. Gleichzeitig haben wir die Möglichkeit, wiederum notwendige Informationen zum aktuellen Pflegezustand des Patienten an die Ärzte weiterzuleiten. Dazu gehören beispielsweise, wie der Patient die Nacht überstanden hat, wie viel er gegessen oder getrunken hat, ob er sich über Schmerzen geäußert hat, wie eine mögliche Mobilisierung aussehen könnte und wie der Kontakt zu den jeweiligen Angehörigen ist. Diese Fragen können nur von Seiten des Pflegepersonals beantwortet werden, da wir im näheren Kontakt mit den Patienten stehen. Zugleich sind diese Informationen sehr wichtig für den weiteren Therapieverlauf.

Ressourcen fördern und Angehörige anleiten

Da mein Examen noch nicht lange her ist, ist mir vor allem der pflegerische Teil meiner Ausbildung noch sehr präsent. Die Förderung vorhandener Ressourcen eines Patienten steht im Mittelpunkt, etwa bei der Körperpflege morgens am Waschbecken. Dies will ich am Beispiel eines Schlaganfallpatienten erklären, der eine sogenannte Hemiparese, also eine Halbseitenlähmung, entwickelt hat. Das bedeutet, eine Körperseite ist gelähmt. Das betrifft Extremitäten wie Arm und Bein. Eine Ressource des Patienten ist in diesem Falle seine Fähigkeit, mit seinen gesunden Körperteilen die gelähmte Seite zu waschen. Meine Aufgabe besteht nun darin, ihm Hilfestellung zu leisten, damit er die Aufgabe der Körperpflege weitestgehend selbstständig übernehmen kann. Konkret bedeutet dies, dass ich für den Patienten die Waschutensilien richte, ihn anleite und schließlich lediglich die Körperstellen für ihn wasche, die er selbst aufgrund der Einschränkung nicht erreichen kann. Sinn und Zweck dieses Vorgehens ist die größtmögliche Selbstständigkeit. Der Patient soll auf die Entlassung und seine Rückkehr ins häusliche Umfeld vorbereitet werden.

In der Praxis sehe ich jedoch häufig das Problem, dass Patienten und deren Angehörige dieses Vorgehen nicht nachvollziehbar finden. Uns wird unterstellt, wir Pflegekräfte hätten nur keine Lust oder keine Zeit. Oft höre ich Sätze wie ,,Schwester, machen Sie das doch einfach. Sie sind noch jung und können das viel besser.“ Oder ,,Ich möchte aber von Ihnen gewaschen werden.“ Mit wenig Zeit in der Pflege hat das nichts zu tun. Wenn ich den Patienten ermutige, selbst einige Aufgaben der Körperpflege zu übernehmen, ist das häufig viel zeitaufwändiger, als es „einfach selbst“ zu machen. Aber genau das ist wichtig, um den Patienten zur bestmöglichen Selbstständigkeit zu verhelfen.

Anleitung und Beratung von Angehörigen

Das Anleiten und Beraten von Angehörigen ist auch ein Thema in der Ausbildung. Nach der Entlassung eines Patienten stehen die Angehörigen oft alleine da und müssen zusehen, wie sie mit der pflegerischen Versorgung und der Medikamenteneinnahme des kranken Angehörigen zurechtkommen. Deshalb wird in der Klinik versucht, die Angehörigen des Patienten miteinzubeziehen. Aus meiner bisherigen Erfahrung kann ich sagen, dass dies sowohl positiv als auch negativ verlaufen kann. Einerseits sind Angehörige sehr engagiert und offen für Hilfestellungen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Angehörige, die jede Hilfe zunächst skeptisch hinterfragen und nicht annehmen wollen.

Zum Beispiel die Beratung und Anleitung von Parkinsonpatienten: Dabei geht es um die regelmäßige Medikamenteneinnahme, die Verwendung von Hilfsmitteln und die Sturzprophylaxe sowie die Anleitung für subkutane Injektionen wie Insulin oder Heparin. Zu einer Anleitung gehören das Aufklären von Patienten und Angehörigen über das jeweilige Medikament, Wirkung und Nebenwirkungen, welche Utensilien der Patient zur Versorgung benötigt, wie diese angewendet werden und was bei der Verwendung zu beachten ist. Das alles wird so früh wie möglich in die Wege geleitet, damit der Patient bis zum Entlassungstag noch Zeit hat, zum Beispiel das subkutane Spritzen unter Aufsicht des Pflegepersonals zu üben oder andere Fragen zu klären.

„Warum wurde meine Mutter noch nicht geduscht?“

In vielen Ländern ist es üblich, dass die Körperpflege von Angehörigen übernommen wird. Dann ist das Pflegepersonal nur für die medizinischen Tätigkeiten zuständig. In Deutschland gehört die Körperpflege jedoch zu einem Großteil zur Arbeit der Pflegekräfte. Oft werden hohe Erwartungen seitens der Angehörigen gestellt, die nicht immer zeitgerecht erfüllt werden können– zugleich könnte dies jedoch gut von den Patienten selbst oder deren Angehörigen übernommen werden. Damit meine ich nicht, dass wir in der Pflege die pflegerischen Aufgaben nicht übernehmen wollen, sondern das Angehörige als Unterstützung agieren könnten.

Dazu möchte ich von einem Beispiel aus dem Stationsalltag auf der Privatstation erzählen: Der Tag beginnt mit einem morgendlichen Rundgang. Dabei werden die Vitalzeichen der Patienten gemessen sowie Spritzen und Medikamente verteilt und verabreicht. Im Anschluss wird mit der Körperpflege der Patienten begonnen. Diese wird oftmals von der ersten der insgesamt vier Visiten der verschiedenen Fachbereiche unterbrochen. Zu bedenken ist, dass die Visiten alle am Vormittag stattfinden und vom Pflegepersonal begleitet werden müssen. Zeitlich ist es so gut wie unmöglich, alle Patienten schon vor der ersten Visite zu waschen. Häufig kommt es dann vor, dass Angehörige kommen und sich beschweren, warum die Körperpflege noch nicht geleistet wurde. In der Praxis habe ich erlebt, dass eine Angehörige um 8.30 Uhr sehr aufgebracht und ärgerlich auf mich zukam und fragte ,,Warum wurde meine Mutter noch nicht geduscht? Das ist hier doch die Privatstation!“.

In solchen Momenten kann ich nicht verstehen, warum man das von uns verlangt und nicht sieht, wie viel wir zu tun haben und wie wenig Zeit uns dafür zur Verfügung steht. Da kommt bei mir die Frage auf, warum die Angehörigen in so einem Fall nicht selbst bei der Körperpflege helfen?

Helfen und mithelfen

Ein weiteres Beispiel ist der Toilettengang. An manchen Tagen gibt es sehr viel zu erledigen. Obwohl ein Patient Besuch hat und dieser durchaus in der Lage wäre, beim Toilettengang zu begleiten, werde ich gerufen. Die Angehörigen schauen dabei zu und warten.

Deshalb frage ich mich, warum Angehörige nicht kleinere pflegerische Aufgaben selbstverständlich übernehmen. Was hindert sie daran? Haben sie Angst, etwas falsch zu machen? Fühlen sie sich nicht dafür verantwortlich und sehen es als alleinige Aufgabe der Pflegekräfte? Dabei würde uns das sehr helfen. Denn es gibt immer auch genug Patienten, die keine Angehörigen im Krankenzimmer haben und die sich nicht alleine versorgen können. Sie sind auf meine Hilfe angewiesen.

Quelle: Fotolia/sudok1

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