Ich bin eine Krankenschwester. Gefühlt war ich das schon immer. All meinen Teddys und auch den Barbies verpasste ich als Kind kleine weiße Verbände. Selbst meinem Kater legte ich welche an, der mich dann genervt und abschätzig anblickte. Nun gut.
Heute arbeite ich als Gesundheits- und Krankenpflegerin auf einer Psychosomatischen Station in einem im Grünen gelegenen Krankenhaus am Rande Hamburgs in Rissen. Man kennt sich, man grüßt sich, egal wen man auf dem weitläufigen Gelände oder auf den Fluren trifft. Ich arbeite dort richtig gern. Ich möchte sogar sagen, ich habe Spaß an meiner Arbeit. Ich gebe zu, dass ich zu ungünstigen Zeiten arbeite, auch am Wochenende und nachts. Aber der Kontakt zu den Patienten erfüllt mich. Und meine Kollegen und ich bilden ein gutes Team.
Der Leser wird sich an dieser Stelle vielleicht fragen, ob das hier eine Werbeveranstaltung werden soll. Oh, nein! Ich wurde gefragt, ob ich mir vorstellen könne, von der Pflege zu bloggen. Ja, das kann ich! Psychosomatik ist das was ich kann. Da kenne ich mich aus, weiß wie das funktioniert. Deshalb schreibe ich heute über den Bereich der Psychosomatik.
Wenn der Atem stockt und die Stimme versagt
Psychosomatik begegnet uns überall. Kennen Sie das? Da sitzt einem Menschen etwas im Nacken und die Schultern schmerzen. Oder etwas verschlägt einem den Atem und die Stimme versagt. Manchmal liegt etwas wie ein Stein im Magen und der Appetit ist verschwunden. Vor Aufregung beschleunigt sich der Puls und die Wangen erröten. Ich bin mir sicher, dass viele Menschen diese Symptome selbst erfahren haben und kennen.
Meistens lassen sich die Ursachen schnell finden: Eine unerledigte Aufgabe wartet auf die termingerechte Fertigstellung. Der neue Schwarm ist so charmant, dass man kein Wort in seiner Gegenwart herausbringt. Der letzte Streit mit einem nahen Menschen ist noch ungeklärt und eine Versöhnung ist nicht in Sicht. Vor Kummer darüber kann es sich anfühlen, als würden tief im Bauch schwere Backsteine liegen. Es gibt auch Situationen, in denen fühlt man sich unsicher. Da werden die Handinnenflächen feucht oder man nestelt nervös an seiner Kleidung. Klingt nicht so ungewöhnlich, oder?
Die sprechende Medizin
Es gibt aber noch viel weitreichendere Symptome und Leiden: Schmerzsyndrome, Depressionen, Erschöpfungssyndrome, Burnout, Angststörungen, Essstörungen, Anpassungsstörungen, Belastungsreaktionen, Tinnitus und auch eine Krankheitsbewältigung können einen Menschen aus dem Gleichgewicht bringen. Diese Leiden begegnen mir in meiner täglichen Arbeit auf der Station. Da muss ich mehr aufbieten als meine weißen Verbände, die ich ja schon als Kind so gerne umlegte. Die Verbände in der Psychosomatischen, der sogenannten sprechenden Medizin, umhüllen die Seele. Den Menschen in seinem Entwicklungsprozess zu umrahmen, zu halten und zu fördern, ist ein erster Schritt in die gemeinsame Arbeit. Um dann zu erkennen, was zu dem inneren Ungleichgewicht führte. So ein Verband für die Seele kann je nach Situation und je nach Patient sehr unterschiedlich aussehen.
Musikvideos als Brücke
Haben Sie schon mal einen Luftgitarrendialog versucht? Wenn keine Worte mehr gefunden werden, und alles gesagt ist für den Moment, dann können Musikvideos auf YouTube ein geeignetes Sprachrohr sein, um Gefühle auszudrücken.
Manchmal weiß ich im Gespräch mit dem Patienten aber auch nicht weiter. Da greife ich in meinen reichen Erfahrungsschatz und nichts hilft. Da fühle ich mich hilflos und wünsche mir, einen kleinen weißen Verband anlegen zu können, der den Schmerz, die Traurigkeit, die Wut lindert. Wie Superman möchte ich dann eine Supernurse sein, die alles kann. Klingt naiv und idealistisch? Aber vielleicht braucht es genau das.
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