Das hört man oft in letzter Zeit: „Pflegen kann doch jeder!“ Ich frage mich da immer wieder, wie man zu dieser Aussage kommt? Ich persönlich halte nichts davon. Pfleger zu sein ist so viel mehr. Man braucht Empathie, Herz, Verantwortungsgefühl – und manchmal auch ein bisschen Selbstironie. Pfleger zu sein ist eine Lebensaufgabe. Wir sind täglich mit Trauer, Schmerz, Freude und Hilflosigkeit konfrontiert. Da braucht man ab und an ein dickes Fell. Dabei können ein intaktes soziales Umfeld, Hobbys und tolle Kollegen helfen. Unternehmungen mit Freunden schaffen einen Ausgleich. Eine starke Psyche ist wichtig in unserem Beruf, um die verschiedenen Situationen zu meistern und manchmal auch den Tod zu verarbeiten.
Wie gehe ich damit am besten um?
Ich persönlich versuche, den Klinikalltag nicht mit nach Hause zu nehmen. Sollte es mir mal nicht gelingen, helfen mir Menschen, die ein offenes Ohr für mich haben. Manchmal muss ich mir alles von der Seele reden, um wieder mit neuer Kraft durchzustarten. Viele von uns kennen den Klinikalltag und wissen, dass der Pflegenotstand uns oft an unsere emotionalen Grenzen bringt. In der Ausbildung haben wir alle gelernt, wie eine optimale Pflege aussehen soll. Dazu gehört, dass wir den Menschen als Ganzes sehen mit all seinen Bedürfnissen, Ängsten, Einschränkungen und Erwartungen an uns. Dem versuchen wir gerecht zu werden.
Dies gelingt uns in Zeiten des Pflegenotstands nicht immer. Viele von uns geben jeden Tag ihr Bestes. Patienten sind oft nur ein bis zwei Tage in der Klinik, da bleibt kaum Zeit, den Menschen richtig kennenzulernen. Ich finde das persönlich sehr schade, denn ich habe mich bewusst für diesen Beruf entschieden, um anderen helfen zu können.
Wunsch an unser Gesundheitssystem
Ich würde mir wünschen, dass die Krankenkassen zu ihrem alten System zurückfinden und die Liegedauer der Patienten wieder erhöhen. Denn am Ende des Tages zählt der Mensch und nicht das Geld. Auch wenn sich mehr Profit mit kürzeren Liegezeiten erzielen lässt, sollte es immer zuerst um die Gesundheit der Patienten gehen. Es würde zudem unsere Arbeit enorm erleichtern, die Patienten könnten besser betreut werden und sie würden den Beruf Krankenpfleger wieder mehr schätzen.
Pflegen ist eine Lebensaufgabe, die ernst genommen werden muss. Denn wer falsch pflegt, kann das Bild der Pflege ruinieren oder gar Leben gefährden. Das kann zum Beispiel durchaus durch eine falsche oder gar keine Lagerung eines bettlägerigen Patienten geschehen, die zu einem Dekubitus (Druckgeschwür) führen kann. Hier können Gewebszerfall (Nekrosen) oder Sehnen- und Bänderverkürzung (Kontrakturen) zu Komplikationen führen. Und da soll mir einer noch sagen, dass Pflegen jeder kann und man sowieso nur am Kaffee trinken ist. Wer so denkt sollte eine Woche zur Hospitation kommen und den Beruf Pflege live erleben. Mein Tipp: Macht euch selbst ein Bild von der Pflege, bevor ihr vorschnell urteilt!
Foto: Zeichnung von Nora Jung